Opel Senator B 3.0 i 24V

erschienen in der Auto Zeitung vom 31.01.1992

Vergleichstest Opel Senator B 3.0i 24V gegen Ford Scorpio 24V

 

Power-Blümchen

 

In ihrer Klasse fristen Ford Scorpio und Opel Senator hinter Mercedes, BMW und Audi ein Schattendasein. Teilweise zu Unrecht, wie ein Vergleich der Vierventil-Topversionen zeigt.

   
Der Opel-Reihensechszylinder-Motor mit drehzahlabhängiger Saugrohrverstellung "Dual-Ram" schöpft aus einem Liter Hubraum 68,7 PS beziehungsweise 91 Nm Drehmoment.  Die spezifische Leistung des Ford-V6-Motors mit Cosworth-Vierventilköpfen beträgt 66,4 PS pro Liter Hubraum, das spezifische Drehmoment 93,7 Nm pro Liter Hubraum. 

Obgleich Ford (10,2%) und Opel (17%) im Gesamtbild mit sehr guten bis hervorragenden Anteilen am hiesigen Marktgeschehen teilhaben, dürfen deren Verantwortungsträger für Vertrieb und Marketing in manische Depressionen verfallen, wenn sie das Konkurrenzfeld ihrer Topmodelle Scorpio respektive Senator betrachten.

Die mittlere Mercedes-Reihe, der neue Audi 100 und 5er-BMW setzen die Maßstäbe in einem Marktsegment, in dem derzeit noch deutsche Hersteller klar den Ton angeben. Rund 12.000 Mercedes der Baureihe W 124 und jeweils etwa 7.000 Audi 100 und 5er-BMW setzten die "Big Three" der oberen Mittelklasse 1991 monatlich ab. Dagegen fällt der Scorpio mit durchschnittlich 2.000 Neuzulassungen pro Monat deutlich ab. Erst recht Opels Senator, dessen Typname den Charme eines Nußbaum-Herrenzimmers aus der Jahrhundertwende verbreitet: 500 Einheiten verkauften die Opel-Händler im Monatsschnitt 1991.

Modelle

Die derzeitigen Spitzenmodelle der Scorpio- und Senator-Baureihe entstanden getreu der Devise "Aus alt mach neu". So ließ Ford für den anscheinend unsterblichen V6-Graugußveteranen bei Cosworth in England extra einen Vierventil-Zylinderkopf aus Leichtmetall konstruieren, Versteifungen am Kurbelgehäuse, leichtere Kolben und eine stabilere Kurbelwelle flankierten die Stärkungsmaßnahmen.

Die Opel-Leute halfen ihrem langgedienten Reihensechszylinder gleichfalls mit einem Vierventilkopf auf die Sprünge und veredelten ihn zudem mit der variablen "Dual-Ram"-Sauganlage. Dabei werden über ein integriertes Klappensystem die Saugwege in Abhängigkeit von der Drehzahl variiert: lange Wege im unteren Drehzahlbereich verstärken die Durchzugskraft, kurze Wege oben herum fördern die spontane Leistungsentfaltung.

Meßwerte

Obwohl schon der Name Cosworth pure Rennatmosphäre verheißt, sollte der Scorpio keineswegs als Sportwagen verstanden werden. Im Sinne dieser Produktphilosophie verzichtet Ford auf äußere Attribute, die solche Erwartungen wecken könnten. Spoilerzierat sucht man vergebens, selbst das "Cosworth"-Gütesiegel wird vornehm nach innen getragen und beschränkt sich auf Schriftzüge auf den Ventildeckeln.

Auch der Senator enthält sich aller Effekthascherei, bis auf ein verschämtes Heckbürzelchen gibt sich der noble Opel - nomen est omen - betont seriös. Auf dem Fahrwerkssektor blieb der Senator bis auf eine dreifache Verstellmöglichkeit der Dämpferhärte unverändert.

Das Fahrwerk des Scorpio unterscheidet sich dagegen deutlich von dem seiner zahmeren Verwandschaft. Es wurde zur Angleichung an die Motorleistung tiefer gelegt, straffer abgestimmt, verfügt über stärkere Stabilisatoren und ist mit 16-Zoll-Rädern bestückt.

Beiden gemeinsam ist eine Viergang-Automatik, wobei das Opel-Getriebe dem Fahrer die Wahl zwischen zwei Fahrprogrammen läßt.

Das Sportprogramm erweist sich im Alltagsbetrieb als nette Spielmöglichkeit.

Echter Bedarf dafür entsteht so gut wie nie, denn in der Economy-Stellung werden alle Fahrbereiche mehr als befriedigend abgedeckt.

Motorcharakteristik und Getriebeprogramm harmonieren prächtig, was in bedarfsgerechtem Schalt-Timing mit weichen Gangwechseln zum Ausdruck kommt.

Im Vergleich dazu verdient der Schaltautomat im Ford das Prädikat "Kulturbanause mit Anwartschaft auf den Titel Schaltrüpel": Gangwechsel gehen nicht nur mit ungebührlichen Schlägen einher, auch die häufig überflüssigen Rückschaltmanöver bei geringer Gaspedalbewegung bringen besonders auf kurvigen Landstraßen Unruhe ins Fahrgeschehen.

Dazu gesellt sich ein Fahrwerk von unausgewogener Abstimmung, das kurze Stöße nahezu ungefiltert an die Insassen weiterleitet.

Da trennen den Ford Welten von Opel, der in den beiden weicheren Dämpfereinstellungen geschmeidig abrollt und den Passagieren schlechte Straßenqualität weitgehend verheimlicht. Die straffste Dämpfer-Einstellung hält zwar Karosseriebewegungen in Grenzen, bringt aber keine wesentlichen Vorteile für die Handlichkeit des Senator.

Der fahrwerksseitig gestraffte Scorpio wirkt agiler, reagiert spontaner auf Lenkbefehle und zeigt insgesamt brauchbare Fahreigenschaften, wobei seine Übersteuerneigung im beladenen Zustand gemildert wird. Bei Zurücknahme des Gaspedals in Kurven bleibt ein Selbstabbremseffekt zwar aus, hektische Lastwechselreaktionen sind aber ebenfalls nicht zu verzeichnen. 

Der Senator bewegt sich behäbiger, stabilisiert sich in derartigen Fahrsituationen jedoch von selbst. Die beiden Topmodelle von Ford und Opel offenbaren ihre stärksten Seiten auf der Langstrecke. Mit Höchstgeschwindigkeiten deutlich jenseits der 200-km/h-Marke ermöglichen sie hohe Reiseschnitte, wobei auch hier der Opel den besseren Federungs- und vor allem mehr Geräusch-Komfort bietet.

 
Das Lederinterieur im Opel inklusive Sitzheizung vorn steht mit DM 2.273,-- in der Aufpreisliste. Die Innenausstattung im Ford ist mit einer Klimaanlage gekoppelt und kostet im "Paket" DM 7.370,--

   
Der Opel bietet den Fondpassagieren zwei Zentimeter mehr Kopffreiheit.  Der Ford bietet den Fondpassagieren 6 cm mehr Kniefreiheit. 

Beide Bremsanlagen werden den hohen Motorleistungen in vollem Umfang gerecht, wobei sich die Verzögerungsanlage des Scorpio besser dosieren läßt und bei den Vergleichsmessungen auch kürzere Vollbremswerte erreicht.

An der Zapfsäule unterstreicht der Senator mit einem Verbrauchsdurchschnitt von 12,6 Litern pro 100 km wiederum die Güte seines Antriebskonzeptes. Der Scorpio zeigt sich mit gut über zwei Litern mehr nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand des Machbaren. Er genehmigte sich unter identischen Bedingungen 14,8 Liter.

Auch der Innenraum des Kölner Paradestücks unter dem Symbol der Ford-"Pflaume" mutet etwas amerikanisch-antiquiert an. Anzeigen und Bedienelemente (Bordcomputer, Heizung) werden teilweise vom Lenkrad verdeckt, und die umständliche Bedienung der Scheibenwaschanlage stößt ebenso auf Unverständnis wie die Tatsache, daß der Tankdeckel trotz Zentralverriegelung per Schlüssel geöffnet werden will.

Auch das biedere Senator-Interieur kann beileibe nicht als Zeugnis moderner Auto-Innenarchitektur gelten, erweist sich aber als aufgeräumter und funktioneller.

Die inneren Abmessungen beider Fahrzeuge reichen allemal aus, eventuelle klaustrophobische Neigungen Mitreisender erfolgreich zu unterdrücken. Auch die Gepäckabteile weisen mit 418 Litern (Ford) und 453 Litern (Opel) Großfamilien-Kapazität auf. Für sperrige Fracht lassen sich überdies die Rücksitzlehnen geteilt umklappen und eröffnen Container-Dimensionen. Mit DM 61.100,-- steht der Ford Scorpio 24V in "Ghia"-Ausstattung in der Preisliste, der Optionen-Katalog ist erfreulich kurz.

Elektrisch verstell- und beheizbare Vordersitze kosten DM 1.260,--, eine Klimaanlage gibt's für DM 2.730,--. Beide Elemente zusammen plus Lederausstattung werden als Paket für DM 7.370,-- feilgeboten. An serienmäßigen Sicherheitselementen gehören Ausstiegsleuchten, rundum höhen- und neigungsverstellbare Kopfstützen und ein zentrales Warnsystem für Motor und Beleuchtungsfunktionen zur Ausrüstung. Daß kein Airbag angeboten wird, ist in dieser Klasse allerdings ein Mißstand.

   

Auch der Opel mit einem Kaufpreis von DM 73,245,-- ist mit dem Makel des nicht orderbaren Airbags behaftet, komfortseitig aber wie der Ford komplett ausstaffiert. Interessante Extras sind Niveauregelung (DM 1.488,--), Sperrdifferential (DM 924,--; im Ford serienmäßig), Tempomat (DM 778,--) und Lederinterieur (DM 2.273,--).

Fazit:

   

Ganz klar: Der Opel Senator CD 24V ist nicht nur im direkten Vergleich mit dem Ford Scorpio Ghia 24V das eindeutig bessere Auto.

Zumindest unter dem Aspekt des technischen Niveaus hat er eher als Power- denn als Mauerblümchen zu gelten.

Nur schrecken potentielle Kaufinteressenten davor zurück, über DM 70.000,-- für ein Modell ohne Renomee hinzublättern, selbst wenn die einfachere Ausgabe des Edel-Omega mit reduzierter Ausstattung (DM 57.345,--) stößt auf recht wenig Gegenliebe.

Mit dieser Strategie verbaut sich Opel den Weg in die obere Mittelklasse selbst.

Aus diesem Blickwinkel ist der über DM 12.000,-- billigere Ford Scorpio sicherlich das vernünftigere Auto, auch wenn er das hohe Niveau der Etablierten dieser Fahrzeugkategorie verfehlt.

Fazit: Opel klasse, aber viel zu teuer. Ford teuer, aber keine Klasse. Schaun wir mal bei den Japanern rein...