Opel Omega B 2.0 16V
erschienen in der Auto Straßenverkehr vom 16.02.1994
Der Bürger-Meister
Bisher war der Opel Omega bekannt und beliebt als Auto gutbürgerlichen Mittelmaßes. Der neue Omega macht seine Sache aber noch deutlich besser.
Wunder geschehen immer wieder und in schlechten Zeiten ein bichen öfter. Beispiel Autoindustrie: Kaum grassiert die Krise, schon entdecken die Konzerne auf wundersame Weise, daß Preis und Leistung am Ende doch in einem angemessenen Verhältnis stehen sollten. Viel zu lange hatte man das ja vergessen. Das aktuelle Wunder heißt Omega und stammt aus dem Hause Opel. Der neue Omega - ab April beim Händler - kostet weniger als sein Vorgänger, bietet aber viel mehr. Zu allem, was in der Serienausstattung der Mittelklasse zum guten Ton gehört, wie ABS und zwei Airbags, Servolenkung und Zentralverriegelung, packt Opel nochmal kräftig drauf: elektrisch höhenverstellbarer Fahrersitz, Gasdruckstoßdämpfer, Infrarot-Fernbedienung für die Zentralverriegelung nebst integrierter Wegfahrsperre, Pollenfiltersystem und das Opel-typische Anzeigefeld für Radio, Zeit/Datum und Außentemperatur. Weil das 115 PS starke Basismodell noch einige Monate auf sich warten läßt, testete Auto Straßenverkehr den Omega 2.0 16V mit 136 PS. Der ist besonders interessant, weil er eine Lücke schließt: Wollten Opel-Interessenten bislang mehr als 115 PS, mußten sie gleich den 2,6-Liter großen Sechszylinder mit 150 PS kaufen - für über DM 5.000,-- mehr. Der attraktive Preis von DM 40.700,-- und die guten Fahrleistungen könnten den 16V-Omega also durchaus zum Liebling der neuen Modellreihe machen. Die leer immerhin 1,5 Tonnen schwere Limousine beschleunigt in nur 11,2 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, und auch die Elastizitätswerte können sich sehen lassen: in 12,8 Sekunden von 60 auf 100 km/h im vierten Gang, in 18,6 Sekunden von 80 bis 120 km/h im fünften Gang. Das macht das Fahren souverän und gelassen, der Griff zum langen, weich und ausreichend präzise geführten Schalthebel ist nur selten erforderlich. |
Das Handicap des 2.0 16V ist seine Akustik. Wie die meisten Opel-Vierzylinder nervt auch dieser Sechzehnventiler ab 3.600 U/min mit penetrantem Dröhnen. Im fünften Gang entspricht diese Drehzahl etwa 140 km/h, also einem Bereich, in dem man sich auf Autobahnen häufig bewegt. Erst ab etwa 160 km/h geht das Dröhnen in den Windgeräuschen unter, die sch ihrerseits bei höheremTempo deutlich zu Gehör bringen.
Unterhalb 3.600 U/min läuft der Motor erheblich kultivierter, läßt aber ein Ventil-Tickern hören, das an alte Opel Rekord-Zeiten erinnert. Für seine Geräusche entschädigt der 16V mit Sparsamkeit: Bei bewußtem Umgang mit dem Gaspedal läßt sich der Omega mit 7,7 Liter Super 100 Kilometer weit bewegen - durchaus mit Spitzen um 160 km/h. Wer ihn jagt - der Omega überschreitet recht zügig die 200km/h-Grenze - kommt auf etwas mehr als zehn Liter pro 100 Kilometer. Im Testdurchschnitt ließ sich der Omega 2.0 16V mit 8,1 Litern abspeisen. Das ist wenig für eine stattliche Limousine. Weitere Pluspunkte sammelt der neue Omega mit seinem Fahrwerk, obwohl es hier nicht viel Neues gibt. Die Bodengruppe stammt fast unverändert vom alten Omega, der identische Radstand von 2,73 Metern ist dafür ein sicheres Indiz. Die Fahrwerkskomponenten kommen dagegen vom ehemaligen Senator, sie wurden für den Omega lediglich verfeinert. Geradeauslauf und Seitenwindempfindlichkeit sind keine Probleme mehr, und die Fahrwerksgeräusche hat Opel durch die akustische Entkoppelung von Karosserie und Fahrwerk mittels Fahrschemel und aufwendiger Lagerung sehr gut in den Griff bekommen. Das Kurvenverhalten ist sicher und fast neutral, der schwere Omega reagiert dabei präzise und ähnlich spontan wie ein viel kleineres Auto. Das verblüfft vor allem angesichts der sehr komfortbetonten Abstimmung von Federung und Dämpfung, die den Omega geradezu majestätisch über Bodenwellen hinweggleiten läßt und nur auf groben Querfugen straff erscheint. Auch die Bremsen - vier gleich große Scheiben, vorn innenbelüftet - lassen nicht spüren, mit welcher Masse sie fertig werden müssen. Sie packen beherzt zu und bringen den Omega aus 100 km/h nach 46 Metern sicher zum Stehen. Das meßbare Fading bei heißer Bremse ist kaum zu spüren. |
Sitze und Raumangebot tun ein übriges, um den neuen Omega zu einem hochklassigen Reisewagen zu machen. Die Vordersitze sind ausreichend dimensioniert und bieten auch den Schultern Halt. Der serienmäßig elektrisch höhenverstellbare Fahrersitz läßt sich gegen Aufpreis mit einer Neigungsverstellung und einer variablen Lendenwirbelstütze aufwerten.
Raumprobleme gibt es nur in Ausnahmefällen. Hat der Wagen ein Schiebedach, können ausgesprochen lang geratene Zeitgenossen Probleme mit der Kopffreiheit kriegen. Sie haben es hinten besser: auf der weich gepolsterten Rückbank mit üppig langer Oberschenkelauflage ist man gut untergebracht und genießt großzügige Platzverhältniss. Gegen Aufpreis gibt es sogar einen Dreipunktgurt für den mittleren Passagier und drei Fondkopfstützen. Die mittlere kann man aus Gründen der Rück-Sicht leicht demontieren.
Zum Wohlbefinden im Omega trägt übrigens auch die Auswahl angenehmer Materialien bei. Der Plastik-Charme früherer Omega-Generationen ist Vergangenheit. Ablagemöglichkeiten sind vorn wie hinten ausreichend vorhanden, sogar an Steckschlitze für Münzen ist gedacht. Unterdimensioniert erscheint lediglich die Durchladeöffnung in der Blechwand zwischen Koffer- und Innenraum - das relativiert den Vorteil der vielfältig klappbaren Rücksitzlehne. Der Gepäckraum selbst ist mit 530 Litern (VDA-Norm) an sich enorm groß, wegen des links stehend untergebrachten, vollwertigen Ersatzrades aber in seiner Breite eingeschränkt. Außerdem hat der weit öffnende Kofferraumdeckel weder einen Griff zum Zuziehen noch eine Innenverkleidung - hier hat denn der Rotstift doch seine Spuren hinterlassen. Dafür gibt es im Kofferraum praktische Seitenfächer für Verbandkasten und allerlei Kleinkram. Schließlich und endlich verspricht der neue Omega auch günstige Unterhaltskosten. Zum geringen Verbrauch kommt eine voraussichtlich günstige Kaskoeinstufung (TK 24 / VK 18). Auch die Wartungsintervalle - alle 15.000 / 30.000 Kilometer oder einmal jährlich - sind zeitgemäß. Nur bei der Garantie hätte Opel noch zulegen können. Ein Jahr auf die Mechanik und sechs Jahre gegen Durchrostung - da bieten viele Konkurrenten bereits mehr. |
Gesamtbewertung:
Der Opel Omega 2.0 16V bietet in der Mittelklasse nahezu sämtliche Vorzüge eines Oberklasseautos. Sein hohes Maß an Komfort, Sicherheit, Platzangebot und Ausstattung reiht ihn in die erste Garnitur seiner Klasse ein. Das Haar in der Suppe ist die Geräuschentwicklung des ab etwa 3.600 U/min unkultiviert dröhnenden Sechzehnventil-Motors, der aber dafür mit ordentlichen dynamischen Qualitäten und einem ausgesprochen günstigen Verbrauch überzeugen kann. Verbesserungsfähig sind auch die Garantieleistungen: ein Jahr Garantie auf die Mechanik - das ist heutzutage bestenfalls schwacher Durchschnitt. |