Opel Omega A 2.6 i

erschienen in der Auto Zeitung vom 13.03.1992

 

Ein Hauch Oberklasse

Nun sollen auch für Renault wieder bessere Zeiten in der Renommierklasse anbrechen: Der neue Safrane steht in den Startlöchern und muß sich einem ersten Vergleich mit dem Opel Omega stellen.

Dort, wo für Autohersteller das Verdienen richtig anfängt, hingen die Trauben für Renault in den vergangenen Jahren immer zu hoch. Zwar stellen die Franzosen mit dem R19 und dem Clio die Gold- und Silbermedaillengewinner der deutschen Importeurs-Zulassungsstatistik, doch die lukrativsten Gewinnspannen locken halt in der Oberklasse.

Dort führte der betagte Renault 25 im Vergleich zu den französischen Mitbewerbern Peugeot und Citroen ein Mauerblümchendasein wie Ski-Abfahrtsläufer aus Uganda in Konkurrenz zu Alberto Tomba: Der XM fand 1991 8.582 Interessenten, der Peugeot 605 6.708, der R25 nur 3.317 Käufer.

Doch nun hat Renault die Skier frisch gewachst: Der neue 25 heißt Safrane (gesprochen: Safrahn), soll vor allem als 170 PS starker V6 verlorenes Terrain gutmachen und sich an deutscher Wertarbeit wie dem Opel Omega messen, von dem 1991 mehr als 80.000 Exemplare den Weg zur Zulassungsstelle fanden.

Der neue, frontgetriebene Oberklasse-Renault erfreut durch ein jugendlicheres Design als der in die Jahre gekommene Opel. Runde Formen prägen das Bild, die Front des Safrane erinnert an die des Espace II aus gleichem Hause. Auch die tropfenförmig gestreckte Seitenansicht verleiht dem Franzosen einen dynamischeren Schnitt als die kantige Silhouette dem Omega.

Dessen steilere Scheiben sorgen aber für eine geringere Aufheizung des Innenraums als beim Safrane, der je nach Modellvariante mit einem günstigen Luftwiderstandsbeiwert zwischen cw 0,30 und 0,28 glänzt. Die weit durchgezogeneC-Säule verleiht dem Fließheck mit der weit öffenden Heckklappe eine coupéhafte Erscheinung, während der Hesse als klassisches Stufenheck mit separatem Kofferraum eher den deutschen Geschmack trifft.

Der Safrane hat im Vergleich zum Vorgänger deutlich an Größe gewonnen: In der Höhe 28 mm (nunmehr 1.443 mm), in der Breite zwölf (1.818 mm) und in der Länge 21 (4.734 mm). Damit liegen die Außenabmessungen fast auf Omega-Niveau, dem nur in der Breite 5,8 cm fehlen.

Klarer fällt der Unterschied im Interieur aus: Neben dem vollelektronischen, mit allerlei Displays und Bedienungsknöpfen zugepflasterten Renault-Cockpit wirkt die Schaltzentrale des Opel wie ein Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiel im Vergleich zum neuesten Nintendo-Gameboy.


Überdacht und mit Elektronik vollgestopft: Cockpit des Renault-25-Nachfolgers Safrane V6

Etwas altbacken, aber solide und überschaubar: Opel-Omega-Armaturen mit klobigem Volant

Im Franzosen informieren nicht weniger als sechs Fluoriszid-Tafeln über Bordcomputer-Funktionen und Kilometrierung (in den beiden großen, übersichtlichen Rundinstrumenten), Außentemperatur, Uhrzeit sowie Radioanzeige (in der Mittelkonsole über den ausklappbaren Lüftungsgittern) und die Betriebsstellung der kompliziert wirkenden, aber mit einer Automatik versehenen Klimaanlage (unter dem mittleren Lüftungsaustritt).

Wer bei derart geballter Informationsflut noch Sinnesorgane frei hat, kann sich von einer Digitalstimme vor unverschlossenen Türen warnen oder Gute Fahrt wünschen lassen.

Oder eine neue Raumsimulation der HIFI-Anlage anwählen, die neben CD-Player und Cassettenrecorder auch noch einen kleinen Equalizer ihr eigen nennt.

Mit solchem Schnickschnack kann der Omega nicht dienen, dafür konfrontiert er seinen Fahrer mit weniger Fragen. Alle Schalter sind in der Mittelkonsole logisch angeordnet, zwei große und zwei kleinere Instrumente informieren über alles, was Mann oder Frau am klobigen Volant wissen müssen. Und wer will, kann auch Bordcomputer spielten.

Unbedingt formschön ist das Opel-Cockpit aber nicht mehr, der Zahn der Zeit nagt eben unaufhörlich, und die Anordnung der verdeckten Heizungsregelung könnte eine Überarbeitung ebenfalls gut vertragen.

Logisch, daß der Top-Renault in Frankreich zum Teil jene Aufgaben übernehmen muß, die in Deutschland die S-Klasse von Mercedes erfüllt; repräsentieren und als Chauffeurs-Limousine dienen.

Während vorn die wulstigen Türverkleidungen Ellenbogenfreiheit kosten, ist das Platzangebot hinten üppiger geraten. Die Rückbank läßt sich bei Bedarf elektrisch in Neigung und Winkel verstellen. In der Mittelkonsole kann man Kopfhörer und Computer anschließen sowie den Zigarettenanzünder von vorn aus sperren - damit sich der Nachwuchs nicht die Nase ankokelt.

Auch wenn auf den Rücksitzen des Omega kaum Platzangst aufkommt, großzügig wie im Renault läßt es sich im Opel nicht reisen.

Französische Top-Limousinen stehen als Synonym für überdurchschnittlichen Komfort, Renault möchte beim Safrane mit einem aufpreispflichtigen, elektronischen Fahrwerk diesem Anspruch genügen. Innerhalb von 40 Millisekunden paßt ein Rechner die Dämpferrate den Straßenbedingungen an, die ihm neun Sensoren melden.

Das heißt, der Computer nimmt selbst so exotische Parameter wie die Höhenbeschleunigung wahr, also das Aufschaukeln und Einfedern der Karosserie, die ab Tempo 120 um 25 mm abgesenkt wird.

Bei der ersten Probetour in der Eifel gefiel der Safrane mit ausgewogenem Komfort, den nur Querfugen bei hohem Tempo oder sehr lange Bodenwellen beeinträchtigen, die das Auto zum Nachschwingen animieren. Wer auf kurvigen Straßen unterwegs ist, kann die Dämpferrate auch auf "Sport" festschreiben. Aber das bringt außer etwas reduzierten Karosseriebewegungen nichts.

Der weich abgestimmte Opel wirkt im Vergleich taumeliger, er wankt und neigt sich mehr um die Längs- und Querachse, und er läßt sich von der direkten, bei schneller Kurvenfahrt schwergängigen Lenkung zur Nervosität verleiten.

Sportliche Ambitionen beschränken sich in beiden Autos auf den olympischen Gedanken, wonach Dabeisein alles ist: Der Safrane verlegt sich auf zeitiges Untersteuern, der heckgetriebene Omega schwenkt sanft mit dem Hinterteil aus. Probleme bereiten beide ihren Fahrern nicht.

Sowohl der Safrane als auch der Omega führen Sechszylinder unter ihren Fronthauben, der Franzose in V-Figuration, der Deutsche als Reihenmotor mit durchzugskraftförderndem Dual-Ram-System. Diese variable Saugrohrverstellung könnte der Renault auch brauchen: Sein laufruhiger und 170 PS starker Leichtmetall-Dreiliter hinkt trotz des um 15 Nm besseren maximalen Drehmoments von 235 Nm dem Opel-Graugußblock mit seitlicher Nockenwelle in puncto Durchzugsvermögen subjektiv hinterher.

Der rauher und bei höheren Drehzahlen kernige 2.6i-Omega erreicht sein Maximum bereits bei 3.600 U/min und wiegt laut Herstellerangabe mit 1.415 Kilogramm schon 50 kg weniger als die Basisversion unseres übervoll ausgestatteten Test-Renault.

Der Omega wirkt im Vergleich spritziger


Motorraum-Design auf französisch: Hübsch gestylter V6

Mit Dual-Ram-System: Opels 2,6-Liter-Motor

Wen wundert's, daß der deutsche Revierhengst spritziger wirkt als sein Widersacher, der ihm laut Werk mit 220 km/h um 5 kmh davonrennen müßte. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h sollen beide Aspiranten in 9,8 Sekunden absolvieren.

Aus einem ugandischen Abfahrtsläufer einen Olympiamedaillen-Gewinner zu machen, ist keine leichte Aufgabe. Doch Renault wird mit dem gut verarbeiteten und solide wirkenden Safrane in der Oberklasse sicher Boden gutmachen. Dafür ist nicht einmal das das deutsche Doping fürs künftige Spitzenmodell der Safrane-Baureihe nötig: Dessen 280-PS-Bi-Turbo-Motor entsteht beim saarländischen Tuner Hartge, die sportliche Optik liefert Opels Hausveredler Irmscher dazu.

Auch ein gutes Omen: In Frankreich, Renaults wichtigstem, weil ureigenstem Terrain, hat noch der R25 die Zulassungszahlen der unter schlechtem technischem Leumund leidenden Citroen XM und Peugeot 605 eingeholt.