Opel Kadett C GT/E und Opel Rallye E
erschienen in der Auto Motor Sport vom 07.06.1978
Sporthilfe
Opels Rallye-Kadett hat bereits Tradition. Schon 1967 zielten die Rüsselsheimer mit einem leistungsgesteigerten Klein-pel auf jugendliche Autofahrer - und sie verhalfen der schnellen Variante durch aufdringliche Streifenzier zugleich zu einem wenig schmeichelhaften Halbstarken-Image.
Ein Makel, der Opels Marketing-Manager nicht daran hinderte, auch den Nachfolger des Rallye-Kadett, den Kadett GT/E, im Jahre 1975 zunächst ausschließlich mit grimmiger Kriegsbemalung auf die Straßen zu entlassen: Die Rüsselsheimer tauchten ihre kanariengelben Kraft-Kadetten nämlich kurz entschlossen bis knapp unter die Gürtellinie in schwarze Farbe - und hielten damit auf seriöse Unauffälligkeit bedachte Sportfahrer weiterhin vom Kauf des gehörigen Fahrspaß bereitenden Opel ab. Dieser sollte indes auch hauptsächlich anderen Zwecken dienen: Mit dem Kadett GT/E stieg das Opel-Werk mit Vehemenz ins Rallye-Geschäft ein, nachdem die größere Ascona-Limousine den Boden für die Gelb-Schwarzen mit dem Blitz zuvor erfolgreich bereitet hatte. Beim Modell-Jahrgang 1978 ging Opel noch einen Schritt weiter und splittete seine Kadett-Sporthilfe auf. Zwei Varianten mit wahlweise 1,6-Liter oder 2,0-Liter Hubraum übernehmen nunmehr den Part des Alltags-Sportlers. Einer nachhaltiger modifizierten Homologations-Version kommt hingegen die Aufgabe zu, Wettbewerbs-Fahrern und Tunern eine gute Grundlage für Motorsport-Aktivitäten zu bieten. Etwas unglücklich fiel dabei die Namensgebung aus: Ausgerechnet die für den Straßengebrauch bestimmten Kadetten tauften die Rüsselsheimer schlicht Opel Rallye, ohne in der Typenbezeichnung auf den Stammvater Kadett hinzuweisen. Der Sportzwecken dienende GT/E hingegen gilt nach wie vor als "Opel Kadett". Optisch bemühten sich die Opel-Stylisten diesmal bei beiden Kadett-Typen um ein vergleichbar seriöses Erscheinungsbild, wozu sicherlich der durchschlagende Erfolg des unauffällig gekleideten VW Golf GTI den Ausschlag gab. So behielt man das Bemalungsmuster zwar bei, verwendete nun jedoch statt des heftigen Schwarz/Gelb-Kontrastes die Farben Weiß und elb. Und wahlweise können die schnellen Opel auch in schlichter einfarbiger Verpackung geliefert werden. |
So dürfen die neuen starken Kadetten durchaus als adrette Erscheinungen gelten, zumal auch im Cockpit für ein weitgehend funktionelles Design gesorgt ist. Drehzahlmesser und Tacho liegen sachlich gezeichnet im Blickfeld, Schalter und Hebel sitzen griffgerecht. Einzig zur Kontrolle des Öldrucks, des Benzinstandes und der Wassertemperatur bedarf es vom Fahren ablenkender Konzentration: Jene Klein-Uhren liegen nämlich zu tief angeordnet in einer Mittelkonsole.
Genau richtig postiert sind dafür das Lenkrad, die zierliche Pedalerie und der Schalthebel. Dabei haben GT/E-Piloten schon serienmäßig die ahl unter fünf Gängen, während Rallye-Käufer für das Sport-Getriebe DM 1.125,-- Aufpreis zu zahlen haben. Im täglichen Gebrauch kann jedoch tatsächlich nur der aktive Sport-fahrer aus dem umfangreicheren und enger gestuften Übersetzungsangebot Vorteile ziehen. Das Viergang-Getriebe schaltet sich deutlich besser als die "knochige", schwergängige, gelegentlich hakelnde und mit eng zusammenliegenden Gangebenen versehene ZF-Version des Top-Kadett. GT/E-Piloten haben ihrer sportlichen Gesinnung jedoch auch mit Einbußen im Ausstattungs-Komfort Rechnung zu tragen. Sie müssen auf einen Zigaretten-Anzünder, den abblendbaren Innenspiegl, die Zeituhr, aber auch auf Nackenstützen verzichten. Einsparungen, die darauf hinweisen, daß Sportfahrer Sonderprüfungszeiten mit exakteren Uhren als der serienmäßigen zu messen pflegen und darüber hinaus ohnehin zu mehr Halt bietenden Spezial-Schalensitzen neigen. |
Das GT/E-Fahrwerk läßt stützendes Gestühl auch dringend angeraten erscheinen. Regenüber dem Rallye um 20 mm tiefergelegt, gasdruckgedämpft, vorn härter gefedert sowie hinten mit einem dickeren Querstabilisator versehen und somit übersteuernder abgestimmt, läßt sich der GT/E auch von der serienmäßigen 50-Prozent-Differentialsperre nicht zur Kurvenunwilligkeit zwingen.
Vielmehr kann der Kadett neutral bis leicht übersteuernd um enge wie weite Ecken bewegt werden, womit er sich von seinem zivileren Großserien-Pendant Rallye nachhaltig unterscheidet.
Wird dieser nämlich - wie im Testwagen geschehen - gleichfalls mit der Sperre ausgerüstet, die grundsätzlich eine Untersteuer-neigung fördert, dann überschiebt er in langsamen wie schnellen Kurven an der Vorderhand und läßt sich nur mit rechtzeitigem Anreißen und brutalem Leistungseinsatz auf Kurvenkurs zwingen.
Dennoch bereitet auch der Rallye Fahrspaß wie kaum ein anderes Automobil seiner Preisklasse. Stets bleibt der Klein-Opel mustergültig beherrschbar und bereitet auch auf rutschigen Passagen keine unangenehmen Überraschungen. Rallye- und GT/E-Piloten ertappen sich im Gegenteil dabei, am Wochenende fahrerische Erbauung auf Schotterwegen zu suchen.
Ansprüche an den Fahrkomfort dürfen dabei allerdings nicht gestellt werden: Opels Sport-Kadetten zählen zum Härtesten, was man sich unter DM 20.000,-- antun kann. Um die gebotene Geräuschkulisse - eine nervende Mixtur aus Getrieberattern und Motorheulen - gemahnt schon bei der Zivilversion Rallye und erst recht beim Sportgerät GT/E an einschlägige Einsatzzwecke.
Auf dem Motorensektor setzt sich die Sport-Version von der Staßen-Ausführung ab, was sich in der um 5 PS höheren Katalog-Leistung dokumentiert. Werner Schwärzel, Opel-Motorenentwickler: "Wir haben jene Motorteile modifiziert, die in der Gruppe 1 nicht verändert werden dürfen, um damit für Leistungssteigerungen bessere Voraussetzungen zu schaffen." Dies bedeutet den Einbau einer schärferen Nockenwelle und die Verwendung eines größeren Luftmengenmessers in der L-Jetronic von Bosch. Zudem erfuhren die Ein- und Auslasskanäle eine Umgestaltung. Statt der servicefreundlichen hydraulischen Stel des Serien-Zweiliters kommen mechanische Stößel zum Einsatz, die zusammen mit härteren Ventilfedern höhere Drehzahlen erlauben. Der nur geringe Leistungsvorsprung dokumentiert sich in den Auto Motor Sport-Meßwerten entsprechend wenig eindrucksvoll: Zwar sprintet der in den beiden ersten Gängen länger übersetzte GT/E auf die Zehntelsekunde genauso zügig zur 100 km/h-Marke wie der Rallye, er kann aber in oberen Geschwindigkeitsbereichen nur kleine Beschleunigungsvorteile verbuchen. Die Höchstgeschwindigkeit beider differiert ebenfalls nur geringfügig. Während der GT/E 190 km/h nur knapp verfehlt, erreicht der Rallye diesen Wert. Damit sind die Opel Kadett fast 10 km/h schneller als ihre Wolfsburger oder Kölner Konkurrenten - der VW Golf GTI und der Ford Escort RS. Daß der Zweiliter-Rallye bei Höchstgeschwindigkeit weit im roten Drehzahlbereich agiert, liegt an der kurzen Hinterachs-Übersetzung von 3,67:1 (Grundversion: 3,44:1), die zwangsweise an das Sperrdifferential gebunden ist. Übersetzungs-Manipulationen sind jedoch gerade beim GT/E möglich: gegen rund DM 35,-- Aufpreis liefert Opel eine extrem kurze 4,74:1-Achse (Grundversion Testwagen: 3,89:1), welche die Drehzahlen bei hohen Geschwindigkeiten zwar in astronomische Bereiche treibt, auf Rallye-Sonderprüfungen jedoch sinnvolle Anwendung findet, da sie dem Beschleunigungsvermögen dienlich ist. |
Ohnehin berücksichtigten die Rüsselsheimer bei ihrer 1.000 Stück umfassenden GT/E-Sonderserie die Rallye-Fahrer-Interessen wie nie zuvor. Walter Bresse von der Opel-Sportsonderentwicklung: "Wir haben im GT/E von den Querlenkern bis zum Hinterachs-Deichselrohr alles verstärkt, was nach unseren bisherigen Erfahrungen im Rallye-Einsatz in die Brüche ging.
Solche eingehende Sonderbehandlung wirkt sich naturgemäß auf den GT/E-Preis aus: Mit knapp DM 17.000,-- liegt er um rund DM 1.200,-- höher als ein ebenfalls mit fünf Gängen, Sperrdifferential und Alufelgen ausgerüsteter Zweiliter-Rallye.
Ein Erfolg ist der neue GTE für die Rüsselsheimer freilich trotzdem. Günther Irmscher, Opel-Händler und -Tuner in Winnenden bei Stuttgart: "Der GT/E fand einen geradezu reißenden Absatz auch bei Sportfahrern, die keineswegs Rallyes bestreiten wollen. Schon Ende April war die erste 1.000-Serie vergriffen."
GT/E-Fans, denen der kaum weniger zünftige Rallye zu wenig Sport-Appeal bietet, werden sich deshalb bis Juli gedulden müssen. Dann legt Opel nämlich eine weitere 500-Stück-Serie der Kadett-Extraausgabe auf.
Zum Vergleich:
Opel Rallye E | Opel Kadett GT/E | Opel Kadett GT/E | Ford Escort RS 2000 | VW Golf GTI | |
Hubraum ccm: | 1.979 | 1.979 | 1.897 | 1.993 | 1.588 |
Leistung PS bei U/min: | 110 bei 5.400 | 115 bei 5.600 | 105 bei 5.400 | 110 bei 5.500 | 110 bei 6.100 |
Testverbrauch L/100 km | 13,3 S | 13,8 S | 11,4 S | 13,2 S | 9,9 S |
Preis DM: | 13.596,-- | 16.850,-- | --* | 14.530,-- | 14.565,-- |
Beschleunigung in s: 0 - 60 km/h 0 - 80 km/h 0 - 100 kmh 0 - 120 km/h 0 - 140 km/h 0 - 160 km/h |
3,9 6,1 9,1 12,9 18,7 27,2 30,6 |
4,1 6,1 9,1 12,7 18,5 26,5 30,5 |
4,1 6,2 9,1 13,3 19,5 29,5 31,3 |
4,3 6,6 10,0 14,0 21,1 32,8 31,7 |
4,4 6,6 9,4 13,7 19,0 29,8 31,3 |
Höchstgeschwindigkeit km/h: | 190,0 | 189,5 | 175,6 | 178,2 | 184,6 |
*) Wird in dieser Version nicht mehr gebaut