Opel Diplomat A 4,6 V8
erschienen in der Auto Motor Sport vom 06.02.1965
Jenseits des Schaltens
Seit mehr als 30 Jahren geht der Autoba in Europa und in Amerika getrennte Wege. Um 1930, also etwa zur gleichen Zeit, als General Motors die Firma Opel kaufte, hatte das amerikanische Auto sein Gesicht gefunden: Große Motoren, große Karosserien, günstige Preise durch hohe Stückzahlen. Die Stückzahlen waren so hoch, daß es den Preis nur ganz geringfügig beeinflußt hätte, wenn man kleiner gebaut hätte.
Hubraum und Benzinverbrauch spielten kaum eine Rolle, und darum baute man keine kleinen Autos.
Bei uns mühte man sich damals wie heute mit Motoren zwischen ein und zwei Litern Hubraum ab; die hohen Mineralölabgaben und die Hubraumsteuer - die jetzt wahrscheinlich doch bleiben wird - zwingen dazu. Aber es waren wohl doch nicht nur diese Dinge, die das europäische Auto kleiner bleiben ließen. Geringere Stückzahlen und teureres Material erforderten mehr Sparsamkeit bei der Festlegung der Maße, engere Straßen ließen allzu große Autos unpraktisch erscheinen, und ganz allgemein neigt der Europäer nicht so stark wie der Amerikaner dazu, seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch ein möglichst großes Auto zu dokumentieren.
Er denkt rationeller und läßt sich nicht so leicht überreden. In den dreißiger Jahren kamen in den USA die ersten Achtzylindermotoren in preisgünstigen Autos auf den Markt. Wer sich als Europäer vor dem Krieg einen V8 von Buick oder Mercury über den Ozean schicken ließ, legte damit einen außerordentlichen Luxus an den Tag. In Amerika waren diese Autos damals schon nichts außergewöhnliches mehr. Sie wurden in größeren Stückzahlen gebaut, als unsere Opel Olympia oder DW Meisterklasse.
Opel startete kurz vor dem Krieg mit dem 3,6-Liter Admiral einen Versuch, das preisgünstige, große Auto in Europa heimisch zu machen. Der Krieg sorgte dafür, daß es für 25 Jahre bei diesem Versuch blieb. Nun folgt, mit nur wenig veränderten Vorzeichen, der zweite Anlauf.
Mit einem Schuß Europa
Der Diplomat hat, so sehr er auch mit den Mercedes-Modellen konkurriert, mit diesen Autos nicht viel gemeinsam. Ein Mercedes ist mit seinen zahlreichen Besonderheiten an Motor und Fahrwerk ein typisch europäisches Automobil - liebevoll verfeinert innerhalb der Grenzen, die durch Hubraum und Preis gezogen sind. Der Diplomat ist ein amerikanisches Auto - konzipiert mit der großzügigen Gelassenheit von Leuten, die sich unter 20 Achtzylindermotoren und unter zehn automatischen Getrieben diejenigen Aggregate aussuchen können, die ihnen für den jeweiligen Zweck am besten geeignet scheinen.
Eines jedoch ist am Diplomat europäisch: die größere Sorgfalt, die auf das Fahren mit hoher Geschwindigkeit verwendet wurde. Da Geschwindigkeiten über 130 km/h in Amerika praktisch überall verboten sind, werden die USA-Autos serienmäßig mit Reifen, Bremsen und Fahrgestellen ausgestattet, die bei 150 oder gar 180 km/h nicht mehr verkehrssicher sind. Auch die Motoren sind nicht auf Betrieb mit hoher Last eingerichtet - die meisten von ihnen werden verschrottet, ohne auch nur eine Minute lang ihre volle Leistung abgegeben zu haben.
Das ist bei uns anders: Autos, die 160 km/h laufen, müssen diese Geschwindigkeit auch als Dauergeschwindigkeit vertragen können. Nicht alle, aber viele Käufer dieser Wagenklasse nützen die Leistung häufig voll aus. Ohne jede Gefahr übrigens - es zeigt sich bei wissenschaftlicher Nachprüfung immer deutlicher, daß die amerikanischen Geschwindigkeitsbeschränkungen auf einer laienhaften Auffasung der Probleme des schnellen Fahrens beruhen. Ebenso wie Eisenbahnzüge heute bei entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen 200 km/h schnell fahren können, können es auch die Autos.
Zu den Sicherheitsvorkehrungen gehören einerseits geeignete Straßen, andererseits geeignete Reifen und Bremsen. In diesen beiden Punkten griff Opel auf europäische Entwicklungen zurück und verwendete Gürtelreifen und Scheibenbremsen. Und so kann man mit dem Diplomat ebenso 160 oder 180 km/h Dauergeschwindigkeit fahren wie mit dem 300 SE oder - Ehre seinem Andenken - dem 3,2-Liter BMW V8.
Während aber Mercedes und BMW für ihre 200 km/h schnellen Limousinen nur etwa 3 Liter Hubraum spendierten (und da gab es schon manch bedenkliches Gesicht ob der großen Motoren), ließ Opel aus dem GM-Programm zunächst einen 4,7 Liter und nun, zunächst für das Coupé, auch noch einen 5,4-Liter kommen. Für Autos, die im Preis den 2,2-Liter Mercedes-Modellen entsprechen.
Mit diesen Motoren werden eine Menge Probleme gelöst. Während ein Dreiliter seine 160 oder gar 190 PS nur unter Aufwendung hoher konstruktiver und metallurgischer Kunst hergibt, schüttelt der 4,7-Liter sie sozusagen aus dem Ärmel. Der Dreiliter muß hoch drehen und wird dabei laut, der 4,7-Liter kann langsam laufen, ist leise und erleichtert außerdem ein Problem, das nun auch in Europa akut ist: Das Fahren ohne Schalten.
Schon bald nach den V-Achtzylindern wurden vor dem Krieg bei den großen amerikanischen Automobilfabriken die ersten automatischen Getriebe entwickelt. Heute sind sie in den USA so selbstverständlich wie die Heizung und der Scheibenwascher. In der landläufigen Automeinung gelten sie bei uns immer noch als etwas Kompliziertes und Ausgefallenes. Das liegt daran, daß die automatischen Getriebe europäischer Art, die sich bisher sämtlich nur mühsam durchsetzen konnten, unbefriedigend arbeiteten. Schuld tragen daran weniger die Getriebe als die Motoren, die zu schwach und zu wenig elastisch sind.
Die Amerikaner schätzen die großen und starken Motoren nicht etwa der hohen Leistung wegen, sondern weil diese Motoren das Fahren bequem machen.
Ohne Schalten
Was die Bequemlichkeit des Schaltens angeht, entspricht der Diplomat völlig seinen amerikanischen Geschwistern. Für Europa setzt er neue Maßstäbe jenseits aller Schalterei. Zwar hat sein Wählhebel, der überaus griffgerecht auf dem Mitteltunnel angebracht ist, zwei Vorwärts-Stellungen ("Drive" und "Low"), aber davon braucht man gewöhnlich nur eine, die Drive-Stellung. Nach US-Manier gehört der Fuß auf die Bremse, wenn sie eingeschaltet wird, denn ein wenig neigt der Wagen im Leerlauf zum Kriechen, besonders wenn die Startautomatik den kalten Motor auf beschleunigte Leerlaufdrehzahlen bringt.
Die Weichheit, mit der sich der Wagen dann anfahren läßt, kann mit Schaltung und Kupplungspedal nur ein sehr guter Fahrer annähernd erzielen. So ruckfrei beschleunigen kann er aber beim besten Willen nicht, denn vom Schalten merkt man im Diplomat nichts. Es gibt kein Rucken und keine Beschleunigungslöcher, sondern nur ein stufenfreies Beschleunigen oder Verzögern. Das technische Mittel, womit dieses erzielt wird, ist ein Zweiganggetriebe mit Drehmomentwandler. Wer das Hydramatic des bisherigen Kapitän oder die Daimler-Benz-Automatik kennt, weiß, daß hier noch keineswegs von ruckfreiem Fahren und nahtlosem Beschleunigen gesprochen werden kann. Der in Amerika zur Zeit vorhandene Trend zur Zweigang-Automatik (nachdem man zeitweise schon bei vier Gängen angekommen war) bedingt auch den großvolumigen Motor mit seinem hohen Drehmoment bei niedriger Drehzahl. Die Aufgabe, dem Fahrer in jeder Situation die richtige Vortriebskraft zur Verfügung zu stellen, wird am besten gelöst, wenn man sie dreifach aufteilt: Ein Motor, der so elastisch ist, daß er mit wenigen Getriebeabstufungen auskommt, vereinfacht die Sache schon erheblich. Ein stufenloser Drehmomentwandler übernimmt die Rolle der Kupplung beim Anfahren und liefert während der Fahrt unterschiedliche Übersetzungen. Ein automatisch in Abhängigkeit von Gaspedalstellung und Geschwindigkeit betätigtes Wechselgetriebe stellt die Fahrgänge zur Verfügung. Man hat bei einigen amerikanischen Wagen auf dieses Getriebe schon ganz verzichtet und sich auf einen entsprechend ausgelegten Drehmomentwandler beschränkt. |
Diese Drehmomentwandler, in denen die Kraft durch Flüssigkeitsdruck über Schaufelräder übertragen wird, haben aber einen unvermeidlichen Leistungsverlust durch Schlupf, und zwar um so mehr, je größer die ihnen übertragene Übersetzungsarbeit ist. Das erhöht den Benzinverbrauch, und darum hat sich die Kombination von Wandler und Zahnradgetriebe (mit sogenannten Planetenrädern) durchgesetzt. Die Verbesserungen im Wirkungsgrad der Drehmomentwandler und die Erhöhung der Motor-Hubräume lassen es aber jetzt offenbar zu, die Gangzahl auf zwei herabzusetzen.
Das Arbeiten des Drehmomentwandlers ist beim Diplomat deutlich zu bemerken. Einmal beim Anfahren, wo der Wandler ja als Kupplung wirkt und ein wechselndes Verhältnis zwischen Motordrehzahl und Fahrgeschwindigkeit zuläßt, und dann beim Beschleunigen im unteren Geschwindigkeitsbereich, wo der Motor beim Gasgeben zunächst höherdreht - ähnlich wie bei einer rutschenden Kupplung - und dann den Wagen "mitzieht". Es ist sozusagen ein Zurückschalten ohne Ruck.
Mehr Aufmerksamkeit ist nötig, wenn man die Schalttätigkeit des Getriebes bemerken will. Beim Anfahren mit wenig Gas findet das Schalten schon bei sehr niedriger Geschwindigkeit (ca. 20 km/h) statt. Bei Kickdown, also ganz oder fast ganz durchgetretenem Gaspedal (der Druckpunkt ist spürbar), bleibt der untere Gang so lange eingeschaltet, bis man das Gas wegnimmt Der Wechsel wird aber durch den Wandler so weich abgefangen, daß es keinen Ruck gibt. Ebenso weich geht der umgekehrte Vorgang: Das Zurückschalten während der Fahrt durch Kickdown, das beim Überholen oder am Berg nötig ist. Es findet sehr schnell statt (schneller als manuelles Zurückschalten), aber ebenfalls ohne störenden Ruck.
Der einzige Schaltvorgang, der deutlich bemerkbar ist, ist das Heraufschalten bei hoher Geschwindigkeit. Der untere Gang reicht bei Kickdown bis etwa 100 km/h und liefert dann die hervorragende Beschleunigung von weniger als 10 Sekunden. Das automatische Umschalten auf den oberen Gang wirkt sich in einem deutlichen Nachlassen der Beschleunigung aus, das im Knick der Beschleunigungskurve sichtbar wird.
Bei Überholvorgängen kommt dieser Fall vor, ohne jedoch sehr zu stören, da der starke Motor auch im oberen Gang noch kräftig beschleunigt. Immerhin ist dies ein Punkt, der sportliche Leute vielleicht dazu veranlassen könnte, sich ein Schaltgetriebe zu wünschen. Das von Opel anfangs wahlweise angebotene Viergang-Getriebe ist allerdings nicht lieferbar. Mit einem Schaltgetriebe entgehen einem freilich die Annehmlichkeiten, die der Diplomat zu bieten hat. Man kann sich bei dieser bulligen Maschine alle Schalt-Gedanken sparen, und das Schalten würde auch bestimmt nicht so viel Spaß machen, wie bei einem kleineren, hochdrehenden Motor.
Gelegentliche Aufmerksamkeit beansprucht der Wählhebel für die Stellungen "L" und "R". "L" benötigt man hauptsächlich zum Abwärtsfahren auf steilen und glatten Straßen, wo die Bremskraft des Motors ausgenutzt werden soll. Man kann die "L"-Stellung auch zum Aufwärtsfahren am Berg benutzen, um unerwünschtes Hochschalten beim Gaswegnehmen zu verhindern. Aber solches Hochschalten stört weit weniger als bei schwächeren Motoren, und der unnötige Schaltvorgang ist nur zu bemerken, wenn man genau darauf achtet. Der Rückwärtsgang "R" ist ziemlich hoch übersetzt und erfordert beim Einschalten unbedingt das Festhalten des Wagens mit der Bremse.
Mit dem linken Fuß auf der Bremse und dem rechten auf dem Gaspedal kann man aber wunderbar weich und schnell rangieren. Die Stellungen "P" und "N" ermöglichen das Anlassen des Motors und das Leerlaufenlassen mit erhöhter Drehzahl, das nach dem Kaltstart für kurze Zeit zu empfehlen st, da der Motor sonst beim Einschalten einer Fahrstufe gern noch einmal stehenbleibt. In warmem Zustand läuft er bei eingeschalteter "D"- oder "R"-Stellung einwandfrei im Leerlauf; beim Warten an Kreuzungen und Ampeln läßt man natürlich die "D"-Stellung drin - da die Kraftübertragung hydraulisch arbeitet, kann kein Verschleiß entstehen.
Schnell ohne Mühe
Den Motor hört man nur beim Hochdrehen im Stand und bei langsamer Fahrt leise surren, bei schnellerem Fahren übertönen ihn die Roll- und Windgeräusche ganz. Das völlige Fehlen des Motorgeräusches gilt seit jeher als Kennzeichen besonderer Perfektion. Bei europäischen Fahrzeugen ist es selten geworden: die Beanspruchung der Motoren ist zu hoch geworden, um einen unhörbaren Lauf zu ermöglichen. Der Diplomat-Motor ist mit 9,25:1 zwar nicht gerade niedrig verdichtet, aber die Literleistung liegt mit 41 PS/Liter niedriger als bei den meisten europäischen Tourenwagenmotoren, was auf "zivile" Ventilsteuerzeiten schließen läßt. Hinzu kommt eine gute Ansaug- und Auspuffgeräuschdämpfung und last but not least die Verteilung der Arbeit auf acht Zylinder, die nicht nur der akustischen Laufruhe, sondern besonders auch der Schwingungsfreiheit dient.
Die Schwingungsfreiheit des Motors hat uns freilich weniger überrascht als die des Fahrwerks. Während bei amerikanischen Autos, auch solchen mit acht Zylindern, unerfreuliche Vibrationen und Dröhnerscheinungen bei hoher Geschwindigkeit normal sind, gibt es dergleichen beim Diplomat nicht. Hier ist trotz der konventionellen Bauweise des Wagens ein konventionell gutes Ergebnis erreicht worden - bei Reifen und Rädern angefangen bis zu Kardanwelle und Radaufhängungen. Die Folge: man merkt kaum, wie schnell man fährt. Bei 180 fährt der Wagen ebenso mühelos und ruhig wie bei 120 oder 140. Er fährt zwar nicht ungewöhnlich leise, da ein gewisses Quantum an Roll- und Windgeräuschen vorhanden ist, aber es fehlen jene Vibrationen, die bei anderen Autos das Gefühl entstehen lassen, daß sie sich anstrengen. Hinzu kommt eine hervorragende Richtungs-Stabilität bei schnellem Fahren auf der Autobahn, die durch Seitenwind nur wenig beeinflusst wird. Mitfahrer, die sonst auf hohe Geschwindigkeiten empfindlich sind, merken davon überhaupt nichts. Sie fühlen sich sicher. Sie sind es auch, sofern der Fahrer die Geschwindigkeit den Verhältnissen anpaßt. Er muß dazu mehr auf den Tachometer sehen als bei anderen Autos, die schon vom Geräusch her die Geschwindigkeit signalisieren. Wir fuhren mit dem Diplomat mühelos Autobahnabschnitte über 150 km/h, ohne es zu wollen, und ebenso werden mit diesem Auto bei anderen, auch langsameren Fahrern die erzielten Durchschnitte ohne Absicht ansteigen. Das hat freilich noch andere Gründe als die Laufruhe: das hohe Durchzugsvermögen des Motors, das lochfreie Beschleunigen, das Wegfallen der Gangwahl lassen alle durch Abbremsen, Kurven oder Halten bedingten Aufenthalte auf ein Mindestmaß zusammenschmelzen. Die Automatik bewirkt auch, daß die volle Beschleunigung von jedem Fahrer ohne besondere Kunst ausgenutzt werden kann - er braucht ja lediglich das Gaspedal durchzudrücken. Die Beschleunigungsmessung, bei Wagen mit Schaltgetriebe ein akademischer Vorgang mit superschnellem Kuppeln und Schalten, der im Normalbetrieb kaum nachvollzogen werden kann, wird hier zur Bagatelle. Wer will, kann an jeder Ampel optimal beschleunigen. |
Zwar hat das Fahren weniger sportlichen Reiz, weil es so mühelos vor sich geht, aber sportlichen Reiz dürfte von so einem Auto auch kaum jemand erwarten. Im Diplomat reist man schneller als in den meisten harten und lauten Sportwagen und hat dabei nicht das gefühl, eine besondere fahrerische Leistung zu vollbringen. Man fühlt sich - im Gegensatz zum Sportwagen - auch keineswegs dazu aufgefordert, besonders schnell zu fahren. In die Bereiche, die der Diplomat mühelos erreicht, also 160 oder 170 km/h, werden viele seiner Fahrer gelegentlich vordringen. Ihn mit Vollgas zu fahren, fühlt man sich kaum animiert, obwohl er es gut verträgt; und manche Leute werden zweifellos mit ihm nicht schneller als 130 km/h fahren. Auch diese Fahrer haben etwas von der hohen Leistung, weil sie ein gleichmäßiges Fahren und damit höhere Durchschnitte ermöglicht als zum Beispiel der nur wenig leichtere, aber viel schwächere Kapitän. Für sie gilt, was auch für die Amerikaner gilt: der starke Motor dient der Bequemlichkeit.
Daß der Diplomat nach Angaben des Werkes 200 km/h erreicht (wir ermittelten bei nicht optimalen Wetterbedingungen 195 km/h), dürfte seinen Grund nicht zuletzt in der Konkurrenz mit Daimler-Benz haben. Zwar wirbt die Automobilindustrie nicht mit der Höchstgeschwindigkeit, aber eine Rolle spielt sie doch. Opel beschränkte sich nicht darauf, die 200 km/h als theoretisch erreichbaren Wert in die Prospekte zu schreiben, sondern schuf durch Gürtelreifen auf 15-Zoll-Felgen die Voraussetzungen dafür, daß sie tatsächlich erreichbar sind.
Bedingung dafür ist der hohe Luftdruck von 2,4 / 2,6 bar, der bei mehr als 160 km/h vorgeschrieben ist. Dieser Luftdruck beeinträchtigt den Fahrkomfort, so daß es vermutlich viele Diplomat-Fahrer vorziehen werden, mit dem Normaldruck von 1,8 / 2,0 bar zu fahren, der bis 160 km/h auch auf der Autobahn ausreicht.
Komfort und Fahrverhalten Durchschnitt
Was den Fahrkomfort angeht, ist der Diplomat wie der Kapitän ein Durchschnittsauto. Das Gewicht von 1,6 Tonnen, der lange Radstand und die breite Spur sorgen für jenes satte und ruhige Fahren, das man von Autos dieser Größenordnung erwartet. Ein unmerkliches Hinwegschweben über Unebenheiten aller Art darf man freilich nicht verlangen, denn die Federung ist relativ hart. Wie bei allen Modellen der letzten Jahre hat Opel sie so ausgelegt, daß die Fahreigenschaften Vorrang vor dem Fahrkomfort hatten. Bei der relativ schweren hinteren Starrachse hätte eine weiche Federung ungenügende Bodenhaftung auf schlechter Straße und unter Umständen auch das unerwünschte "Mitlenken" beim einseitigen Einfedern, das bei hoher Geschwindigkeit den Geradeauslauf sehr beeinträchtigen kann, zur Folge gehabt.
So, wie er ist, gibt es beim Diplomat kein Schaukeln und Schwanken auf schlechter Fahrbahn, aber es gibt kräftig spürbare Fahrbahnstöße. Kurze Querrinnen und Fugen auf der Autobahn schluckt er nicht gern, auch vorn nicht, wo uns die Federung im Vergleich zum Kapitän noch härter geworden zu sein schien. In Kurven auf welliger Landstraße kann man, besonders beim Einsetzen voller Leistung, die Hinterräder zum Springen und zum harmlosen Wegsetzen bringen.
Beim schnellen Kurvenfahren verhielt sich der Diplomat neutral und im Extremfall leicht übersteuernd. Diese Neigung zum Übersteuern war aber geringer als beim Kapitän und ließ sich mit der Lenkung, obwohl diese nicht überaus direkt arbeitet, gut korrigieren. Auch auf nasser und glatter Straße fuhr sich der Wagen einwandfrei sicher - mit einer Ausnahme: nach der Montage der uns vom Werk mitgegebenen Räder mit Continental Global Spike-Reifen. Mit diesen Reifen war die gute Richtungsstabilität des Diplomat plötzlich verschwunden, er wurde labil und neigte dazu, in Kurven und beim Bremsen sehr plötzlich und stark mit den Heck herumzukommen.
Änderungen des Luftdrucks änderten nichts daran. Wir montierten die serienmäßig montierten Continental Radial-Gürtelreifen wieder, und der Spuk war verschwunden. Der Unterschied ist um so merkwürdiger, als beide Reifen von der gleichen Firma kommen und beide Gürtelreifen sind. Ob es andere, geeignetere Winterreifen gibt, können wir im Augenblick noch nicht sagen.
Die Bremsen sind bei einem so schnellen und schweren Wagen ein Problem, das sich nicht leicht lösen läßt. Die Anlage mit vorderen Scheibenbremsen entspricht dem heute üblichen Aufwand, und das Ergebnis ist zweifellos besser als bei jedem vergleichbaren USA-Wagen mit Trommelbremsen. Im Normalfall arbeiten die Bremsen gleichmäßig und gut dosierbar, auch das Herunterbremsen aus hoher Geschwindigkeit ist unproblematisch. Bei häufiger Benutzung - etwa durch forciertes Fahren auf verkehrsreicher Autobahn - läßt jedoch die Wirkung nach, und auch auf Gefällen sollte man die Bremse nicht überfordern.
Die Bedienungskräfte sind bei den Bremsen (solange sie nicht überhitzt sind) und auch bei der Lenkung, die beide mit Servo-Einrichtungen versehen sind, nicht hoch. Sie machen den Wagen leicht bedienbar und, soweit man bei den beträchtlichen Ausmaßen in Breite und Länge davon reden kann, ausreichend handlich. Ein ideales Stadtfahrzeug ist der Diplomat freilich nicht, er paßt nicht in jede Parklücke und braucht, wenn auch der Wendekreis von 12 Metern akzeptabel für ein Auto dieser Größe ist, viel Platz zum Rangieren.
Attraktionen
Von innen macht der Diplomat einen "gepflegteren" Eindruck als Kapitän und Admiral, ohne sich generell von ihnen zu unterscheiden. Seine besondere Attraktion sind die elektrisch betätigten Fenster, mit denen man freilich nicht spielen sollte, ohne sich vorher davon zu überzeugen, daß niemand die Finger dazwischen hat. Die Kraft der Elektromotoren ist beträchtlich und vermag die Scheiben auch in angefrorenem Zustand zu bewegen. Es ist nicht leicht, auf Anhieb den gewünschten Fensterspalt zustande zu bringen, da die Motoren mit einer gewissen Verzögerung arbeiten. Und vor dem Abstellen des Motors muß der Fahrer nachsehen, ob alle Fenster geschlossen sind, denn bei abgestellter Zündung kann er sie nicht mehr betätigen.
Beim schnellen Fahren verursacht jede Fensteröffnung sehr starkes Rauschen; auch die vorderen Ausstellfenster lassen sich dann kaum benutzen. Man vermißt sowohl eine leistungsfähige Direktbelüftung als auch eine geräuschfreie Entlüftung, die es ermöglicht, die Heizung ohne Fensterspalt zu voller Wirkung zu bringen. Ein wenig primitiv ist auch die Betätigung des Scheibenwaschers durch Druck auf den (zweistufigen) Wischer-Kippschalter am Armaturenbrett. Dieser Schalter liegt außer Reichweite - es gibt weit bessere Lösungen des "Wischi-Waschi"-Problems mit Schaltern am Lenkrad.
Gut ist der Lichthupen- und Abblendknopf im Blinkerhebel, und gut ist auch die Parkleuchten-Schaltung mit dem Blinkerhebel, die nur bei verriegeltem Lenkschloß wirksam ist. Karosserieverarbeitung und die Qualität der Schlösser und Ausstattungsdetails sind für ein Großserienprodukt ausgezeichnet. Der Kunststoffüberzug auf dem Dach verfehlt nicht seinen Eindruck - freilich weiß man nicht, wozu er da ist.
Fazit:
Bis auf die Karosseriedetails gilt das hier Gesagte auch für den kapitän und den Admiral mit V8-Motor und Getriebe-Automatik. Opels Entschluß, auch diese Wagen mit dem großen Motor zu liefern, war naheliegend, denn damit wurden die Baukastenmöglichkeiten erst voll ausgeschöpft. Auch ist anzunehmen, daß der 5,4-Liter-Motor des neu herausgebrachten Diplomat Coupé in dieses System mit einbezogen wird - ein Motor, der mit seinen 230 PS zweifellos noch mehr Temperament im oberen Geschwindigkeitsbereich zu bieten hat.
Mit diesen Motoren und der Zweigang-Automatik hält eine Perfektion des Bedienungskomforts bei uns Einzug, die bisher nur den Amerikanern vertraut war. Wenn man sich die Preise ansieht, dann weiß man, daß es Opel mit dieser Einführung neuer Maßstäbe auf dem Großwagenmarkt ernst ist.
Die Frage ist, was dagegen spricht. Wir glauben nicht, daß die schlichte Fahrwerkskonstruktion, der Verzicht auf optimalen Federungskomfort die Opel-Achtzylindermodelle daran hindern wird, gegenüber der Mercedes-Konkurrenz Boden zu gewinnen. So schlecht sind die Straßen nicht mehr, und offenbar hat sich das Opel-Publikum mit der neuen "harten" Federungslinie abgefunden.
Was die Käufer eher Überwindung kosten wird, sind die höheren Ausgaben für den Unterhalt, besonders der Verbrauch. Unsere Verbrauchswerte lagen zwischen 16 und 25 Liter/100 km; das ist im Verhältnis zu der gebotenen Leistung zwar nicht übertrieben viel, aber doch angesichts der weitverbreiteten Meinung, daß ein Auto nicht mehr als 10 Liter brauchen darf, eine ganze Menge. Besonders der Kurzstreckenverkehr kostet Geld, weil hier die Schlupfverluste des Drehmomentwandlers zur Auswirkung kommen. 20 Liter für hohe Autobahnabschnitte läßt man sich gefallen, für das Fahren im Stadtverkehr werden sie manchen Leuten zu viel sein.
Man kann durch sparsame Fahrweise etwas niedriger kommen, aber das wäre wohl kaum die richtige Empfehlung. Wer mit einem solchen Auto fährt, der tut gut daran, es gleichgültig hinzunehmen, wann und wieviel er tanken muß. Und er sollte auch nicht ständig an den Wiederverkaufswert denken, der natürlich weit schneller und stärker absinkt, als bei ökonomischen Jedermann-Autos.
Luxus kostet Geld - auch der Leistungs-Luxus. Diese Wagen verlangen eine neue Mentalität; eine Mentalität freilich, die sich in der wirtschaftlich arrivierten Bundesrepublik auf den Gebieten des Wohnens, des Kleidens und des Essens längst eingebürgert hat. Da Opel den gleichen Wagen mit dem Sechszylindermotor bewährter Größenordnung baut, kann der Rüsselsheimer Firma nicht viel passieren, wenn das Publikum den Schritt zum automatischen V8 nicht tut.
Aber alle Anzeichen sprechen dafür, daß es ihn tut.