Fahrbericht Opel Senator B 3.0 i (C30LE)

 

erschienen in der Auto Motor und Sport vom 05.06.1987

Herrengedeck

Für den teuren Geschmack: neuer Senator auf Omega-Basis.

Wenn Opel den Omega zum Senator befördert, darf man mehr erwarten, als zusätzliches Lametta. Sechszylinder, Luxus-Ausstattung und ein prestigeträchtiges Äußeres können vorausgesetzt werden. So mag es überraschen, daß sich der neue Senator auf eine mit dem Mittelklasse-Bestseller Omega identische Karosseriestruktur stützt.

Schon auf den ersten Blick wird klar, daß der Senator Jahrgang 1987 keinen Sonderstatus mehr innerhalb der Modellhierarchie in Anspruch nehmen kann. Auch der Radstand und die Konzeption des Fahrwerks stimmen mit dem Omega überein.

Immerhin mißt der Senator von Bug bis zum Heck 15 cm mehr, ist etwas höher (fünf Millimeter) und bietet im verlängerten Heck einen üppigen Kofferraum (530 Liter nach VDA-Norm). Eine deutliche optische Abgrenzung zum Omega erfährt der Nobel-Opel durch seinen wabenförmigen Grill, der wohl Erinnerungen an einen Ferrari wecken soll. Ein die Silhouette streckendes zusätzliches Dreiecksfenster vor der C-Säule sowie großflächige Leuchteinheiten am Heck sind weitere Senator-Erkennungszeichen.

Auch der Innenraum macht den gehobenen Status des Senator erst auf den zweiten Blick deutlich.

Das Armaturenbrett wurde im Fahrerbereich etwas anders gestaltet als im Omega, wobei mit Erfolg auf Funktionalität geachtet wurde. Lediglich den auf der Mittelkonsole sitzenden Schaltern für die elektrischen Fensterheber hat man nicht gerade den besten Platz reserviert.

Klar gezeichnete und vergleichsweise große Rundinstrumente liegen zusammen mit zahlreichen Kontroll- und Warnlampen direkt im Blickfeld, ebenfalls nichts zu bemängeln gibt es an der übersichtlichen Anordnung der wichtigsten Schalter und Hebel.

Neu sind dagegen die Drehschalter für die Heizung, wobei sich nach Mercedes-Vorbild die Temperatur für links und rechts nun individuell regeln läßt.

Keinen Fortschritt stellen dagegen die beim Senator CD serienmäßigen LCD-Instrumente dar, die sich vor allem bei Sonneneinstrahlung kaum ablesen lassen und zudem durch verschiedene Anzeigesysteme (Quasi-Analog beim Drehzahlmesser, rein digital für die Geschwindigkeit) für zusätzliche Verwirrung sorgen.

Gegenüber dem alten Senator konnte das Platzangebot nochmals leicht vergrößert werden. Er erfüllt alle Erwartungen dieser Klasse; selbst bei weit zurückgeschobenen Vordersitzen bietet sich ein Knieraum, über den sich auch groß gewachsene Mitfahrer nicht beklagen können. Die Sitze sind bequem gepolstert, gut geformt und offerieren einen angenehmen Komfort.

Mit der serienmäßigen Höhenverstellung wird es einem leicht gemacht, schnell eine passende Sitzposition hinter dem Lenkrad zu finden. Natürlich lassen sich auch beim Senator die Gurte vorn und hinten in der Höhe variieren.

Ohnehin rollt der Senator mit einer sehr reichhaltigen Serienausstattung aus der Halle K 130 im Rüsselsheimer Werk. Unter anderem zählen ABS, Servolenkung, Zentralverriegelung und geteilte, umklappbare Rücksitzlehnen zum Ausstattungsumfang. Die Top-Version CD bietet zusätzlich noch eine elektronisch geregelte Stoßdämpferabstimmung, Stereo-Radio, Leichtmetallräder und eine ebenfalls elektronisch gesteuerte Vierstufen-Automatik.

Was die Motorisierung des Senator betrifft, bleibt dem Kunden derzeit keine große Auswahl: das Angebot beschränkt sich auf den schon aus dem Omega 3000 bekannten Sechszylindermotor mit drei Litern Hubraum.

Dieser Reihenmotor leistet 156 PS bei 5.400 Touren und ist serienmäßig mit einem geregelten Katalysator kombiniert. Auf besonderen Wunsch liefert Opel dieses Aggregat auch ohne das reinigende Element im  Auspuffsystem zum gleichen Preis, aber mit einer Leistung von177 PS.

Eine Vierventil-Version ist jedoch in Vorbereitung.

Um die Laufkultur dieses bewährten Triebwerks ist es mittlerweile gut bestellt.

Durch Modifikationen am Kurbeltrieb und den Einbau eines so genannten Zweimassen-Schwungrades arbeitet das Einspritz-Aggregat weitgehend frei von spürbaren Vibrationen und recht leise. Nur bei Drehzahlen über 5.000 Touren ist es mit der akustischen Zurückhaltung vorbei; dann verliert er vieles von seiner Laufkultur und arbeitet nach dem Motto rauh, aber herzlich.

Im übrigen läßt die mit einer Nockenwelle im Zylinderkopf bestückte Maschine spezifische Reize vermissen - sie entwickelt ihre Kraft kontinuierlich und weist keinen Drehzahlbereich auf, in dem sie mit besonderem Biß zur Sache kommt.

Das ändert indessen nichts an der Tatsache, daß der Senator ein temperamentvolles Auto ist. Diese Aussage hat jedoch nur dann Gültigkeit, wenn das leicht und exakt schaltbare, gut auf die Motorcharakteristik abgestimmte Fünfganggetriebe eingebaut ist.

Die neu entwickelte Vierstufenautomatik kommt zwar einer gelassenen Fahrweise entgegen, aber ein Ausbund an Temperament ist der Senator dann nicht mehr, zudem schaltet die mit einer Wandler-Überbrückungskupplung bestückte Automatik auf der Autobahn im  häufig gefahrenen Bereich zwischen 120 und 140 km/h oft zwischen der dritten und der vierten Stufe hin und her, was nicht gerade großes Vergnügen bereitet. Die Höchstgeschwindigkeit erreicht der Senator ohnehin nur in der direkt übersetzten (1:1) dritten Fahrstufe.

Beim Fahrwerk hat Opel auf sein im Omega bewährtes, so genanntes DSA-Fahrwerk (Dynamisches Sicherheits-Aktionsfahrwerk) zurückgegriffen und auf die Besonderheiten dieser Klasse abgestimmt. Dabei ist in den für die Feder-Dämpfer-Abstimmung verantwortlichen Ingenieuren, wie der Federungskomfort erkennen läßt, ein insgesamt guter Kompromiß gelungen.

Der Senator ist zwar nicht übertrieben weich abgestimmt, dennoch schluckt er Unebenheiten aller Art so souverän, daß es nie zu unangenehmen Stößen kommt. Neu ist allerdings die gegen Aufpreis (Serie beim CD) lieferbare, elektronische Fahrwerksregelung. Bei ihr kann der Fahrer per Knopfdruck zwischen den Stufen Komfort, Mittel und Sport wählen.

Oberhalb von Tempo 115 km/h schaltet die Elektronik automatisch von "Komfort" auf "Mittel". Fährt man langsamer, wird es wieder komfortabler. Die Frage, ob sich die Investition dafür lohnt, kann erst in einem gründlichen Test sicher beantwortet werden. Der erste Eindruck: Am ohnehin gutmütigen Fahrverhalten des Senator ändert sich durch die variierbare Dämpferhärte wenig, lediglich der Komfort verschlechtert sich in Stellung "Sport" spürbar.

Gleich welche Dämpferstufe gerade eingestellt ist, bietet der Senator ein grundsätzlich leicht untersteuerndes Eigenlenkverhalten, das in engen Kurven durch vollen Leistungseinsatz weitgehend neutralisiert werden kann. Ist dann noch das gegen Aufpreis lieferbare Sperrdifferential mit 45prozentiger Wirkung eingebaut, sind Traktionsprobleme kein Thema beim Senator.

Gewöhnungsbedürftig scheint dagegen die in Zusammenarbeit mit ZF entwickelte Servotronic-Lenkung. Im Stand und bei langsamer Fahrt sind die Lenkkräfte extrem niedrig, bei zügiger Kurvenfahrt wird dagegen eine kräftige Hand am Lenkrad gefordert. Dann vermittelt die Lenkung auch einen guten Fahrbahnkontakt, während sie bei starker Servo-Unterstützung ziemlich gefühllos wirkt.

Ganz klar im Blick haben die Opel-Manager dagegen de künftigen Senator-Käufer: Aufsteiger aus den eigenen Reihen, und natürlich hofft an in Rüsselsheim auch auf etliche Umsteiger, schließlich bietet de neue Senator - zumindest aus Opel-Sicht - jede Menge technischen Fortschritt.

Das dokumentiert sich auch in den Preisen. Sie stehen zwar noch nicht auf Mark und Pfennig fest, aber für das Basis-Modell darf man von rund DM 45.000,-- ausgehen, der üppig ausstaffierte Senator CD wird wohl um die DM 57.000,-- kosten. Eines ist ihm dabei schon jetzt sicher: Dies ist der teuerste Opel, den es je gab.