Opel Omega A Caravan 3.0 i

 

Erschienen in der Auto Motor Sport vom 01.07.1988

Wo rohe Kräfte sinnvoll walten

Ein starker Sechszylinder und ein gut geschnürtes Ausstattungspaket machen den Omega Caravan zu einem überlegen motorisierten Kombi der feinen Sorte.

Der Kombi hat Tradition im Haus Opel. Doch traten die Caravan-Modelle aus Rüsselsheim bisher eher gut bürgerlich auf, eben so, wie man sich einen von fleißigen Handwerksmeistern bevorzugten Wagen mit praktischem Laderaum vorstellt.

Das hat sich inzwischen geändert: Der flotte Kadett Caravan Club 2.0 i machte den Anfang, der Omega Caravan mit dem 177-PS-Dreiliter ist das zweite Beispiel der neuen Caravan-Philosophie, die den Kundenwünschen nach einem geräumigen Auto mit hohem Freizeitwert Rechnung trägt.

Welche Reize hat nun dieser Wagen zu bieten, den Opel gerne unter den Nobel-Kombis eingereiht sehen möchte?

In erster Linie einen hubraumstarken Sechszylinder-Benziner, und damit befindet sich dieser Omega schon  einmal in ausgezeichneter Gesellschaft, die zumindest auf dem deutschen Markt mit dem Mercedes 300 TE und dem Volvo 760 sehr klein und erlesen ist.

Natürlich handelt es sich bei dem Dreiliter um den gleichen Motor, der auch im Omega 3000 und im Senator verwendet wird, er ist mit einem geregelten Dreiwege-Katalysator ausgerüstet.

Bislang stellte im Omega Caravan der Zweiliter-Vierzylinder mit 115 PS die höchste Leistungsstufe dar.

Daran gemessen kann der 3.0i mit überragenden Fahrleistungen aufwarten.

Aber auch den Vergleich mit seinen beiden direkten Klassenkonkurrenten entscheidet er in den relevanten Disziplinen für sich.

Mit 8,4 Sekunden für die Beschleunigung aus dem Stand auf 100 km/h und mit einer Höchstgeschwindigkeit von beachtlichen 224 km/h setzt er bei den prestigeträchtigen Übungen neue Maßstäbe. 

Die Güte der Motorisierung wird aber auch von anderen Eigenschaften ganz wesentlich geprägt, und da braucht sich der Opel-Sechszylinder nicht zu verstecken. Er läßt sich ab Leerlaufdrehzahl ruckfrei fahren, reagiert in allen Bereichen spontan genug auf Gaspedalbewegungen und vermittelt so auch bei schaltfauler Fahrweise das Gefühl guter Motorisierung.

Hohe Drehzahlen sind allerdings nicht sein Metier - ab etwa 5.000 Touren wirkt er angestrengt und macht durch sein aufdringlich werdendes Geräusch den Fahrer darauf aufmerksam, mit dem leichtgängigen und präzis geführten Schaltstock den nächsthöheren Gang des gut abgestuften Fünfgang-Getriebes einzulegen.

Wer diesen Hinweis beherzigt, kann sich auch über die Laufkultur nicht beklagen. Denn unterhalb von 5.000 Touren bleibt der Reihenmotor angenehm leise, und bei hohen Geschwindigkeiten, die unweigerlich Ausflüge in den ansonsten weniger geschätzten Drehzahlbereich notwendig machen, wirkt der laute Motor wegen des insgesamt höheren Geräuschpegels nicht mehr gar so störend.

Mit dem Verbrauch kann man ebenfalls zufrieden sein: Im Testbetrieb genehmigte sich der Sechszylinder durchschnittlich 13,4 Liter Super bleifrei pro 100 km. Das ist im Verhältnis von Fahrleistungen und Transportkapazität akzeptabel und ermöglicht bei 70 Litern Tankvolumen einen Aktionsradius von gut 520 Kilometern.

Kein Zweifel: Dieser Kombi ist ein gutes Langstreckenauto. Dazu trägt auch der angenehme Sitz- und Federungskomfort bei. Lange Bodenwellen meistert dieser Caravan bei jeder Belastung souverän, kurze Unebenheiten werden bei geringem Tempo leicht spürbar und regen bei voller Zuladung vornehmlich die Hinterachse auch bei höheren Geschwindigkeiten zum Stuckern an.

Im Abrollkomfort macht der Omega keine besonders gute Figur, was nicht allein den breiten 195/65-Reifen in die Schuhe zu schieben, sondern auch modellspezifisch bedingt ist.

Wie alle Omega verfügt auch dere Caravan 3.0i über ein ausgewogenes Fahreverhalten. Allerdings gelten gewisse Einschränkungen, sofern mit voller Zuladung - und das sind immerhin 587 Kilogramm - sehr schnell gefahren wird.

Dann neigt der üblicherweise neutral ausgelegte Opel im Grenzbereich zu deutlichem Übersteuern, plötzliches Gaswegnehmen oder Bremsen in Kurven provoziert unangenehme Lastwechselreaktionen.

Zudem leidet die normalerweise gute Handlichkeit unter hoher Zuladung.

Daß die Omega-Karosserie nicht sonderlich verwindungssteif ist, zeigen diverse Klappergeräusche aus dem Heckbereich auf schlechten Straßen.

Auch muß - das ist ein Tribut an die gute Aerodynamik (cw=0,33) - mit kräftiger Aufheizung gerechnet werden, die an heißen Tagen von der Lüftung nur unzureichend kompensiert werden kann.

Andererseits hat die Caravan-Karosserie auch handfeste Vorzüge zu bieten, beispielsweise ein großzügiges Raumangebot im Fond mit bequemer Rückbank und einen wegen der schmalen Radkästen auch in der Breite gut nutzbaren Gepäckraum.

Die Verwandlung in einen üppigen Laderaum (größtes Quadermaß 1.615 x 1.130 x 760 mm), der im Fassungsvermögen auch die seiner Sechszylinder-Konkurrenten übertrifft, geht beispielhaft leicht von der Hand: Kopfstützen (Aufpreis DM 245,--) herausziehen, Lehnen per Knopfdruck entriegeln und soweit auf die Sitzfläche nach vorn drücken, daß die nach unten schwenkenden Ladebodenklappen einrasten.

Fummelarbeit erfordert dagegen die Montage des Gepäcknetzes, und auch die manuelle Niveauregulierung ist wenig bedienungsfreundlich: Man muß vor und nach der Beladung mit einem Meterstab die Bedenfreiheit am Heck messen und dann an der Tankstelle die an den Stoßdämpfern befindlichen Luftkammern über das ungünstig im Laderaum-Eck plazierte Ventil aufpumpen. Die automatische Niveauregulierung ist wegen der noch zu lösenden Unterbringung des Kompressors erst ab September lieferbar.

Ansonsten läßt die Ausstattung des Caravan 3.0i keine Wünsche offen. ABS, Servolenkung und Zentralverriegelung sind im Preis enthalten, ein angenehmes Amiente (Veloursbezüge, voll ausgekleideter Laderaum) gibt es gratis dazu - und das alles zu einem konkurrenzlos günstigen Preis von DM 41.200,--.

Das ist ein Wort: Wer einen ähnlich gut ausgestatteten Sechszylinder-Kombi bei Mercedes oder Volvo kaufen will, muß rund DM 20.000,-- mehr auf den Tisch blättern. 

Fazit:

Karosserie: Günstige Platzverhältnisse, großzügiger Laderaum, einfach umklappbare Rücksitzlehnen, hohe Zuladung und Anhängelast, nicht sehr verwindungssteif, reichhaltige Ausstattung.

Antrieb: Leistungsstarker Sechszylinder mit befriedigender Laufkultur, wenig drehfreudig, exaktes, gut abgestimmtes Fünfgang-Getriebe, sehr gute Fahrleistungen.

Fahreigenschaften: In unbeladenem Zustand auch im Grenzbereich unproblematisch, gute Handlichkeit, bei voller Zuladung Neigung zum Übersteuern, beim Gaswegnehmen und Bremsen in Kurven Lastwechselreaktionen.