Opel Omega A 2.0i

erschienen in der Auto Motor Sport vom 04.05.1990

Vergleichstestzwischen Opel Omega A 2.0 i und Honda Accord 2.0

Accord mit wenig Harmonie

Aufsteiger contra Establishment: was hat der Newcomer Honda Accord dem bewährten Opel Omega entgegenzusetzen?

Die vierte Generation des Honda Accord muß sich strecken: Um gebührenden Abstand zu schaffen zum neuen Concerto, wuchs der Accord zu einem Format, das ihn zum direkten Konkurrenten der etablierten deutschen Mittelklasse macht. Dort trifft er auf Gegner wie den Opel Omega, der, nach einigen Anlaufschwierigkeiten, heute den Horizont des bürgerlichen Familienautos markiert.

Der quer eingebaute, zwei Liter große 110 PS-Motor des Accord ist eine eigenwillige Mischung aus High und Low Tech. Während der Zylinderkopf standesgemäß mit vier Ventilen pro Brennraum bestückt ist und sich im Zylinderblock zwei Ausgleichswellen um Laufruhe bemühen, wird die Gemischaufbereitung einem elektronisch geregelten Vergaser überlassen. Der 115 PS-Vierzylinder im Omega 2.0i verzichtet auf Vierventiltechnik und sonstige Referenzen an den zeitgeist, hat dem Honda aber eine Einspritzanlage voraus.

Im direkten Vergleich enttäuscht der Honda: Die Vierventiltechnik macht sich allenfalls durch ein höheres Drehzahlniveau als beim Opel bemerkbar. Der Honda-Motor wirkt subjektiv angestrengter und macht beim Hochdrehen mit kernigem Geräusch auf sich aufmerksam.

Der Omega, eigentlich auch kein Muster besonderer Laufruhe, wirkt dagegen vergleichsweise kultiviert und zieht schon knapp oberhalb der Leerlaufdrehzahl kräftig durch. Auch auf der Autobahn gibt der Omega seinen Vorsprung nicht preis: er ist mit 197 km/h nicht nur 8 km/h schneller als der Honda, sondern auch wesentlich leiser.

Im Kurvenverhalten geben sich beide mustergültg: Der frontgetriebene Accord untersteuert zunächst harmlos, zeigt aber speziell bei voller Beladung überraschende Lastwechselreaktionen und neigt dann auch zum Übersteuern. Der hinterradgetriebene Omega reagiert bei schneller Kurvenfahrt mit weich einsetzendem, jederzeit kontrollierbarem Übersteuern.

Beide Autos verfügen über leichtgängige Servolenkungen, wobei die des Omega, ganz Opel-typisch, in der Mittellage etwas schwammig wirkt. Der Accord ist mit seiner zielgenauen Lenkung ein Musterbeispiel von Handlichkeit, nur im Stadtverkehr stört sein viel zu großer Wendekreis (12,1 m).

Kupplung und Getriebe geben in keinem Fall Anlaß zur Klage, wobei Opel mit dem Omega-Schaltwerk - nach anfänglichen Problemen mit der Synchronisation - der Einbruch in eine japanische Domäne gelungen ist: Der Omega läßt sich noch eine Spur leichter und exakter als der ohnehin schon vorbildliche Accord schalten.

Weiter lieben beide Limousinen in der Fahrwerksabstimmung auseinander - hier macht sich offensichtlich die Erfahrung von Opel mehr bezahlt als der konstruktive Aufwand der Japaner (doppelte Dreiecksquerlenker vorn und hinten).

Besonders auf der Autobahn ist der Omega eindeutig komfortabler. Während der Accord Betonquerfugen nur unzureichend schluckt und bei hohem Tempo ständig in Bewegung ist, gleitet der Opel souverän über alle Unebenheiten.

Im Verbrauch profitiert der Opel von seinem höheren Drehmoment und dem deshalb normalerweise niedrigeren Drehzahlniveau. Er ist gut einen halben Liter sparsamer als der Accord.

Bei der Bewertung des Innenraums sammelt hingegen der Honda Pluspunkte: Die Sitze, mit sympathischem Stoff bezogen, und das übersichtliche Armaturenbrett, ergeben zusammen mit dem höhenverstellbaren Lenkrad den Eindruck erfreulicher Funktionalität.

Das Interieur des Omega ist betont nüchtern, aber praxisgerecht gestaltet, allerdings muß der Drehzahlmesser mit DM 305,-- Aufpreis erkauft werden.

Das Platzangebot auf den Honda-Rücksitzen ist trotz des bei dem letzten Modellwechsel um 10 mm angehobenen Dachs immer noch nicht auf Klassenniveau. Fondpassagiere über 1,85 Meter Körpergröße stoßen mitunter mit dem Kopf an den Dachhimmel.

Auf brauchbare Kopfstützen hinten müssen die Mitfahrer im Honda verzichten. Beim Opel kosten sie DM 262,-- Aufpreis.

Generell bietet der Opel den Passagieren mehr Platz - schließlich ist er 75 mm breiter und 30 mm höher als der Honda. Das gleiche gilt auch für den Kofferraum: Er ist deutlich größer als beim Accord, außerdem kann die Rücksitzlehne umgeklappt werden.

Die Schlußabrechnung geht zugnsten des Omega aus: Er ist eine ausgewogene, wenn auch sicher nicht aufregende Komposition.

Hondas Bestseller dagegen kann seine Abstammung aus der Kompaktklasse nicht verheimlichen. In der gehobenen Mittelklasse wirkt er wie ein Junge, den man in zu große Hosen gesteckt hat.