Opel Ascona B i2000

 

erschienen in der Sport Auto vom November 1979

Zugabe

Sportlich ambitionierte Opel-Fahrer wissen, daß ihr Mekka in Schwaben liegt - in nordöstlicher Richtung, rund 25 km entfernt von Stuttgart.

Von Winnenden aus hat sich während der vergangenen 12 Jahre die Firma "irmscher tuning" jedenfalls einen solchen Namen gemacht, daß ihr Besitzer Günther Irmscher mit Fug und Recht behaupten kann: "Es gibt nicht einen einzigen Opel-Tuner in Europa, der keine Irmscher-Teile bezieht."

Das Markenzeichen "i" wie Irmscher ist seit etwa einem Jahr auf einem weiteren Opel-Sondermodell zu sehen.

Auf der Basis des Ascona 2.0 /SR entsteht in der Opel-Produktionsstätte in Bochum sowie in Winnenden der sogenannte Ascona i2000.

Und das "i" steht diesmal nicht für "Injection", sondern für "Irmscher". 

Ein Blick in den Motorraum des weiß-gelben Tuning-Produkts verrät denn auch gleich, daß hier keine Benzin-Einspritzung, sondern eine Solex-Pierburg-Doppelvergaser-Anlage buchstäblich für mehr Saft sorgt.

Statt 100 PS, die der serienmäßige Zweiliter-Ascona leistet, werden durch den Irmscher-Einbausatz über 20 Prozent Mehr-Leistung erzielt.

Der Einbausatz umfaßt neben den zwei Solex-Vergasern vom Typ C45 ADDHE ein Saugrohr mit, sowie eines ohne Unterdruck-Anschluß, Luftfilter, Auspuffkrümmer und Gaszug.

 Der i2000 wird darüber hinaus in der Basis-Ausstattung vorne innenbelüfteten Scheibenbremsen und Sport-Bremsbelägen ausgeliefert. Front- und Heckspoiler, die Zweifarben-Lackierung und 6Jx13-Zoll-Alu-Felgen geben dem DM 18.756,-- teuren Sportgerät auch äußerlich den Anschein, bereits wettbewerbstüchtig zu sein.

In diese Richtung zielt schließlich auch die Modellpolitik von Irmscher und der Adam Opel AG in Sachen Ascona i2000.

Nachdem das Kadett-C-Modell zum Ende des Modelljahres auslief, mußte rechtzeitig ein Nachfolger für die Gruppe 1 des internationalen Motorsport-Gesetzes bereitstehen. Günther Irmscher: "Das konnte momentan nur der Ascona sein".

Der Nachweis für die für die Gruppe-1-Homologation benötigten 5.000 Ascona i2000 wurde vor wenigen Wochen im Oktober geführt, nachdem 12 Monate zuvor die Produktion aufgenommen worden war.

Seit April dieses Jahres gibt es die weiß-gelben Renner in der oben beschriebenen, nun endgültigen Basis-Ausstattung.

Fast wie beim Ford-RS-Programm, wo alle sportlichen Accessoires und Tuning-Teile über Ford-Händler bezogen werden können, kann auch der von Irmscher aufgemotzte Ascona über jeden autorisierten Opel-Händler geordert werden. So sind "alle Entwicklungen, die wir machen, mit dem Hause Opel abgestimmt", vermerkt der Ex-Rennfahrer Irmscher nicht ohne Stolz.

Schließlich werden von den täglich 20 produzierten Ascona i2000-Modellen in der Regel 12 in Bochum und acht in dem schwäbischen Tuning-Betrieb zusammengebaut.

Die Lieferzeit beträgt etwa zwei Monate. Alle Sonderwünsche werden dabei direkt in Bochum realisiert.

Jeder fünfte "irmscher 2000" ist von seinem Besitzer für den Wettbewerbs-Einsatz vorgesehen. "Die zweite Käuferschicht", so Günther Irmscher, "sind die Pseudo-Sportler".

Und wer den zweitürigen Ascona-Potenzling tatsächlich als "Alternative für sportliche Individualisten" versteht, wie es der Werbe-Slogan weißmachen will, gibt sich mit der Basis-Ausstattung wahrscheinlich nicht zufrieden.

Für den Rallye-Trip sind eh zahlreiche technische Veränderungen vorzunehmen. Irmscher bietet jedwede Dämpfer- und Federabstimmung, Breitreifen auf 7-Zoll-Felgen und Kotflügel-Verbreiterungen an.

Schon der Straßen-Fahrwerks-Kit für rund DM 870,-- ist durchaus zu empfehlen. Er beinhaltet kürzere Federn und härtere Bilstein-Stoßdämpfer. Ein Sperrdifferential ist darüber hinaus auch für den Straßenbetrieb unbedingt vonnöten.

Die Leistung des Vierzylinder-Triebwerks kann durch einen speziellen Tuning-Kit auf 160 PS (Gruppe 1b) gesteigert werden.

Damit könnte der Irmscher-Ascona zu einem potentiellen Siegerwagen seiner Klasse auch bei internationalen Rallye-Wettbewerben werden.

So bieder sich der i2000 trotz Sonderfarben, Alu-Felgen und Spoilern nach außen präsentiert, so nüchtern geht es auch im Innenraum zur Sache. Sportliche Schalensitze, die im flotten Fahrbetrieb mehr Seitenhalt bieten, Zusatzinstrumente oder ein griffiges Lederlenkrad fehlen und müssen als Sonderausstattung hinzuerworben werden.

Stark gebärdete sich der i2000-Testwagen bei den Beschleunigungs-Übungen: Nur 9,9 Sekunden vergingen vom Stand bis zur 100 km/h-Marke. Mit 184,6 km/h in der "Spitze" stehen auch hier immerhin  rund 10 km/h mehr an als beim Ascona 2.0 /SR. Erreicht der i2000 vor allem in der Beschleunigung Sportwagen-Werte (ein Porsche 924 mit Viergang-Getriebe braucht 10,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h), so enttäuschte er in den Elastizitäts-Prüfungen glatt. Ein Fünfgang-Getriebe käme der Limousine je nach Achsübersetzung sehr zugute.

Dabei würde auch der Geräuschpegel bei Höchstgeschwindigkeit (bei 5.800 1/min) durch Drehzahlen-Drosselung gedämpft, was wünschenswert wäre.

 Der Kraftstoff-Verbrauch dürfte sich indes kaum noch spürbar reduzieren lassen. Mit einem Testverbrauch von 12,1 Litern Superbenzin auf 100 km lag der Ascona i2000 schon erstaunlich niedrig.

Doch zurück zur beanstandeten Elastizitäts-Schwäche des Irmscher-Zöglings.

Nicht nur der Leerlauf des Testwagens war recht instabil, auch die Gasannahme im vierten Gang bei 1.750 1/min (= 50 km/h) glich einem bockigen Lastesel.

So wurden recht enttäuschende Meßwerte registriert. Als sehr wirkungsvoll und standfest, mit leichter Neigung vorne zum Blockieren, erwies sich dagegen die gegenüber dem Serienwagen überarbeitete Bremsanlage.

Das Fahrwerk, in der i2000-Basis-Ausstattung identisch mit der recht straffen /SR-Abstimmung, kann durch zusätzliche Maßnahmen sicher noch verfeinert werden.

Neben einem ständig durchdrehenden kurveninneren Antriebsrad waren beiom Testwagen auch die zu weichen Zugstufen der hinteren Federungs-Elemente einer der Kritikpunkte.

Durch entsprechende Sport-Dämpfer kann dies selbstverständlich vermindert werden.

Eine weitere Komforteinbuße ist damit aber verbunden und für viele im normalen Fahrbetrieb wohl nicht akzeptabel.

Gerade das starke Ausfedern des Hecks verhinderte aber bei der Slalom-Disziplin während der Fahrprüfungen ein besseres Ergebnis.

Recht ordentlich schnitt der sportliche Ascona dagegen im schnellen Wedeln um die Pylonen ab, wo er eindrücklich sein unproblematisches Handling unter Beweis stellte.

Der Hecktriebler übersteuert erst bei unwirschem Gaspedal-Einsatz deutlich und überrascht nicht etwa mit tückischen Lastwechseln.

Der )Opel Ascona i2000 ist somit zunächst als potente aber zugleich sparsame Alternative im Ascona-Programm zu betrachten.

Ein besonderes Flair aber geht weder von der biederen Zweifarben-Karosserie, noch von den rund 20 Mehr-PS unter der Fronthaube aus.

Der etwas rauhe Geselle ist nicht mehr als eine bescheidene Zugabe mit sportpolitischem Hintergrund.