Brabham Kadett B

erschienen in der Auto Motor Sport vom 12.11.1966

 

Des Weltmeisters zahmstes Kind

Daß Jack Brabham - geschäftlich keineswegs ungeschickt - und Hans-Dieter Dechent - in großzügigen Dimensionen verkaufender Opel-Händler aus dem Saarland - auf der Rennwagen-Ausstellung in Wiesbaden frisierte Kadett-Versionen anzubieten wagen, obwohl aus den Bochumer Hallen bereits der in Serienfertigung gebaute Rallye-Kadett rollt, erscheint absurd.

Dennoch hat die "Rallye Conversion for the Opel Kadett by Jack Brabham" - wie sich das Brabham-Dechent-Projekt nennt oder nennen muß - Chancen.

Den Opel Rallye-Kadett gibt es nämlich nur in der Coupé-Form mit sehr auffälliger (und empfindlicher Metalleffekt-)Lackierung, während man die teuren Brabham-PS, falls gewünscht, unter einer schlichten Caravan-Haube verstecken kann.

Allerdings liefert Dechent auch in Zusammenarbeit mit Deutsch-Köln ein Cabrio, das mit allen Extras versehen, dem Kaufpreis etwa eines Ford Mustang oder des Alfa Romeo Sprint GT nahekommt und den eines Opel Admiral oder eines Sunbeam Alpine übertrifft.

Unser Test-Coupé beispielsweise, liebevoll hergerichtet und mit Bremskraftverstärker, Wechselstrom-Maschine, Radio, den Schalensitzen entsprechend mit Samt überzogener Rücksitzbank, Heckscheiben-Entfroster, Schiebedach, einer dezenten, die Coupé-Linienführung vorteilhaft unterstreichenden Lackierung, zuschaltbarer Fanfare, sauber in den Grill eingepaßten Weitstrahlern, kürzerer Hinterachsübersetzung sowie der listenmäßig angebotenen Brabham-Verbesserungen im Materialwert von DM 5.000,-- versehen, dürfte den Kunden mehr als DM 13.000,-- kosten.

Beschränkt man sich jedoch auf die Motorverbesserungen, so hat man mit rund DM 1.500,-- (siehe Tabelle) ein ähnlich schnelles Auto wie das hier besprochene.

Motor

Seinen zugkräftigen Beinamen darf der kleine Opel-Stiefsohn auf Grund von Änderungn führen, die sich auf den Zylinderkopf und dessen Einlaßseite sowie die Nockenwelle beschränken.

Grundlage ist eine SU-Zweivergaseranlage mit speziellen Ansaugkrümmern. Am Zylinderkopf umfaßt die normale Bearbeitung eine Verdichtungserhöhung auf 10:1, das Polieren und Erweitern der Einlaßkanäle um etwa zwei Millimeter und das Aufweiten der Ventilsitzringe, was für verbesserte Füllung sorgt.

Obwohl in Brabhams Firma die Serien-Nockenwelle so umgeschliffen wird, daß sich die Steuerzeiten wie der Ventilhub vergrößern und dadurch viel höhere Beschleunigungen der oszillierenden Massen auftreten, sind die Normalfedern bis über 7.000 U/min ausreichend.

 Lediglich in der zweiten, etwas schärferen Zylinderkopfversion mit um einen Millimeter vergrößerten Einlaßventilen hat man innerhalb der serienmäßigen Federn je eine zusätzliche platziert, so daß die Ventilbewegung bei gelegentlichem Drehen auf 8.000 U/min (was zwar etwas Leistungsabfall bringt, aber möglich sein soll) exakt der steilen Nockenform folgt.

Der Ventiltrieb beherrscht solche Drehzahlen einwandfrei, doch treten momentan noch Lagerschäden im Kurbeltrieb auf, wenn man über 7.000 U/min dreht; Abhilfe sollen hier die verstärkten Lagerschalen des Rallye-Kadett schaffen, die man bei Dechent zukünftig in die Kundenfahrzeuge einbauen wird.

Die zahme Version soll hinter dem schärferen Zylinderkopf leistungsmäßig kaum zurückstehen, weshalb man sich für den preisgünstigeren Kopf entscheiden sollte. Die für einen sportlichen Motor etwas geringe Ölmenge von 2,75 Litern (beim Serien-Kadett) erhöhte man durch Einbau eines Kühlers zwischen Grill und Wassrkühler um einen Liter, doch erfüllt dieser seine Funktion so sehr, daß das Öl bei Eintritt in den Motorblock selbst bei scharfer Fahrweise kaum mehr als 50°C hat und ihn mit wenig mehr als 80°C verläßt.

Bei weniger als 15°C Außentemperatur empfiehlt es sich deshalb bereits, den Ölkühler abzudecken.

Fahrwerk

Die Änderungen am Fahrwerk sind recht aufwendig und teuer. Um den Wagen etwa 4 cm tiefer zu setzen, wird den hinteren Blattfedern etwas von ihrer Spannung genommen. Diese Maßnahme ist noch relativ einfach durchzuführen. Die vordere Querfeder des Kadett stellt größere Probleme: man muß an die Dreiecklenker Stahlblechstücke anschweißen, um die Befestigungspunkte der Feder nach unten versetzen zu können und einen ähnlichen Effekt wie an der Hinterachse erzielen zu können.

Dechent baut zudem noch einen vorderen Stabilisator und vier Koni-Stoßdämpfer ein. Der optische Eindruck unseres Brabham-Kadett wurde von den Minilite-Leichtmetallfelgen beherrscht, die sehr "schnell" aussehen, die Spurweite um 40 mm vergrößern und die für Federung und Dämpfung so unerwünschten ungefederten Massen herabsetzen.

Fahreindrücke

Das Probesitzen in einem komplett ausgestatteten Brabham-Kadett bedeutet bereits ein kleines sportliches Erlebnis: man ist eingehüllt von sehr gut geformten, verstellbaren und mit samtartigem Stoff überzogenen Recaro-Schalen (wahlweise gibt es auch solche von Brabham und Woodhouse); auf Wunsch mitgelieferte Brabham-Handschuhe umfassen ein kleines, leicht schüsselförmiges Holzlenkrad; der Blick wandert über ein vollständiges Armaturenarsenal; den kurzen Mittelschalthebel krönt ein Brabham-Teakholz-Knopf.

Nach einem kurzen Zug am Choke und ohne das Gaspedal zu berühren, springt der Motor sofort an. Ob man dann den Zugknopf in seine Arbeitslosenstellung zurückschiebt oder in Mittelstellung beläßt, ändert kaum etwas daran, daß man mehrere Kilometer gezwungen ist, ständig mit dem Gaspedal zu spielen, um Brabhams Pferde in Bewegung zu halten

Dabei vermißt man ein abgeändertes Gaspedal, das gestattet, Hacke-Spitze zu fahren, also Bremse und Gaspedal gleichzeitig mit dem rechten Fuß zu bedienen. Auch wenn der Motor warm ist, käme diese billige Änderung einer sportlichen Fahrweise entgegen.

Selbst im günstigsten Temperaturbereich blieb der Leerlauf unbefriedigend, er schwankte zwischen 200 und 1.600 Touren, was offensichtlich wieder einmal bestätigt, wie schwer es ist, SU-Vergaser optimal einzustellen, und daß es in Deutschland nur wenige Werkstätten gibt, die die Eigenheiten des Unterdruck-Domes beherrschen.

Beschleunigt man den Wagen aus dem Stand hoch, macht er einen recht lebendigen Eindruck, wenn auch die Zeiten etwas unter unseren Erwartungen liegen. 100 km/h erreichte er nach 15,1 Sekunden, und um einen Kilometer zurückzulegen, braucht er 36 Sekunden.

Schließt man daraus auf die Leistung, die noch nicht gebremst wurde und von der deshalb keine offizielle Angabe zu bekommen ist, gestehen wir dem 800 kg schweren Coupé knapp 70 PS zu. Etwas kraftlos wirkt der Motor jedoch, wenn er - selbst im günstigsten Drehzahlbereich - aus gleichbleibender Geschwindigkeit Gas annehmen soll.

Mag auch hier die Vergasereinstellung negative Auswirkungen haben, so ist es dennoch eklatant, daß es unter diesen Voraussetzungen schwerfällt, Wagen zu überholen, die in Beschleunigung und Spitze unterlegen sind.

Rührt man indessen eifrig im Getriebe,und läßt die Drehzahl nicht unter 4.000 U/min abfallen, setzt man Leute hinter dem Steuer fast aller Mittelklassewagen in Erstaunen.

Überzeugend wirkt der Brabham-Kadett auf Landstraßen. Selbst unebene Strecken lassen ihn trotz harter Dämpfung, Schalensitz und die Federung verhärtendem Stabilisator komfortabler erscheinen als das Serienauto. Bei exakter Fahrweise zieht er leicht untersteuernd durch enge wie schnelle Kurven, wobei die direkte und leichtgängige Lenkung einen guten Kontakt vermittelt. Lupft man in schnell gefahrenen Kurven das Gaspedal, drängt er stark mit dem Heck nach außen, ohne allerdings außer Kontrolle zu geraten; er bleibt dabei so unproblematisch, daß man diese Reaktion in geeigneten Kurvenpassagen mit Vergnügen provoziert.

Es wäre jedoch falsch, die finanzielle Seite dieses Vergnügens zu vergessen: Der Serien-Kadett liegt keineswegs so viel schlechter, daß ein reiner Materialaufwand von über DM 2.000,-- gerechtfertigt wäre. Sehr preiswert ist das Tieferlegen vorn und hinten für DM 70,--.

Hat er Chancen?

Der größte Nachteil des Brabham-Kadett ist, daß Opel den Rallye-Kadett baut. Noch vor einem halben Jahr hätte sicher ein bestimmter Käuferkreis honoriert, daß man für rund DM 1.500,-- Aufpreis einen 1,1 Liter bekommen kann, der mit Sicherheit die 150 km/h-Grenze überschreitet. Nun aber gibt es für DM 7.175,-- ein Coupé, (Serienausführung DM 6.090,--), das folgendes zu bieten hat: Durch zwei Solex-Fallstromvergaser und auf 9,2:1 erhöhte Verdichtung 60 PS Leistung, Spezialschalen für die Haupt- und Pleuellager, widerstandsärmere Auspuffanlage, Drehstrom-Lichtmaschine, Bremskraftverstärker und Zweikreis-Bremssystem, Drehzahlmesser, Konsole mit Amperemeter, Öldruckmesser und Zeituhr, breite 5-Zoll-Lochfelgen mit Gürtelreifen und Dreipunkt-Gurte. Würde man einen Brabham-Kadett ähnlich ausstatten, bezahlte man sehr viel mehr.

Es steht außerdem mangels Erfahrung noch nicht fest, wir halten es jedoch für möglich, daß aus dem Werksmotor mehr PS als aus der Brabham-Version zu holen sind, denn die Solex-Vergaser bei Opel zielen geradliniger auf den Verbrennungsraum.

Brabham und Dechent werden schwerlich Erfolg mit dieser Entwicklung habn, die in ihrem Projektstadium eine Lücke in Deutschland auszufüllen versprach. Wenn auch Opels sportliche Coupé-Kunden durchaus noch in Saarbrücken einkaufen können - Ölkühler, Nockenwelle, geringere Bodenfreiheit oder größere Spur beispielsweise -, haben die Initiatoren des kleinen, schnellen Außenseiters eingesehen, daß sie sich eine Etage höher begeben müssen: neben dem Kadett-Cabrio und einem offenen Rekord zeigen sie in Wiesbaden einen 1,9-Liter Opel-Motor mit 120 PS.