Opel Ascona B 1.9 vs Opel Kadett C 1.6 S

erschienen in der Auto Motor Sport vom 28.09.1977

Der bessere Kauf

Einen direkten Berührungspunkt gab es zwischen den im Verkauf sehr erfolgreichen Opel-Modellen Kadett und Ascona, die in der Bestsellerliste stets auf den vordersten Rängen zu finden sind, lange nur in der 60-PS-Klasse. Mit dem Erscheinen des neuen Kadett 1.6 S im Frühjahr dieses Jahres hat sich die Situation indessen geändert.

Die Konfrontation vollzieht sich nun  auch in der 75-PS-Klasse. Der Bruderkampf wird freilich mit unterschiedlichen Waffen ausgetragen, denn bei dem 1975 neu vorgestellten Ascona sitzt jetzt ein 1,9-Liter Normalbenzin-Motor unter der Haube, während der seit 1962 in der Technik praktisch unveränderte Kadett von einem 1,6-Liter Superbenzin-Motor angetrieben wird. Dieses Triebwerk gelangte bis vor einem Jahr auch in  der Ascona-Reihe zum Einbau, ehe es von dem hubraumgrößeren 1,9-Liter-Motor abgelöst wurde.

Die vom Charakter und von der Leistung her vergleichbaren Konkurrenten aus gleichem Hause unterscheiden sich deutlich im Preis: Der Kadett 1.6 S mit L-Ausstattung wird für DM 11.295,-- angeboten, für den Ascona mit L-Paket fordert Opel rund DM 1.700,-- mehr. Ob das neuere und größere Auto diesen Mehrpreis wert ist, untersuichte Auto Motor Sport an zwei viertürigen Limousinen.

Durch Retuschen an der in die Jahre gekommenen Kadett-Karosserie - unter anderem größerer Kühlergrill, flachere Motorhaube und neu placierte Blinker - haben sich die Opel-Strylisten bemüht, den Oldtimer aufzumöbeln. Das familiengerechtere Mobil ist fraglos der insgesamt moderner erscheinende Ascona, der dank größerem Radstand (plus 12 cm) und größerer Karosserielänge (plus 20 cm) bevorteilt ist.

Die Insassen finden in dem vorn sieben und hinten neun Zentimeter breiteren Ascona mehr Bewegungsfreiheit und der Knieraum im Fond ist ebenfalls etwas größer als im Kadett. Von reichlichem Knieraum kann allerdings im Ascona nicht die Rede sein, denn den Hinterbänklern steht auch hier nur ein - verglichen mit anderen Konkurrenten - knappes Platzangebot zur Verfügung.

Hinsichtlich der Übersichtlichkeit der Karosserie, den Einstiegsverhältnissen, der Anordnung der wichtigsten Bedienungshebel und Schalter sowie der Ablesbarkeit der Instrumente gibt es zwischen den beiden Kontrahenten keine gravierenden Unterschiede und beide können sich gut in Szene setzen. Die Sitze sind bei beiden Autos zwar relativ knapp bemessen, doch ist die Sitzposition sowohl im Kadett als auch im Ascona gut und die Verarbeitung der Lehne mittels Handrad praxisgerecht.

Positiv anzumerken ist für beide Modelle außerdem das praktische Einschlüssel-System sowie die gute Verarbeitungsqualität. In einem Punkt kann der Kadett allerdings den Ascona klar übertreffen: Das vom Platzangebot klar kleinere Auto wartet mit einem Kofferraum-Volumen von 332 Liter nach Auto Motor Sport-Norm auf, während das Gepäckabteil des ansonsten familienfreundlicheren Ascona nur 288 Liter faßt.

 

Angetrieben werden die beiden Klassenkameraden von leistungsmäßig identischen Motoren, die sich allerdings im Hubraum und im Verdichtungsverhältnis unterscheiden.

Das 1,9-Liter-Triebwerk des Ascona ist 7,9:1 verdichtet, begnügt sich mit N>ormalbenzin und leistet 75 PS bei 4.800 U/min.

Der Vierzylinder erreicht sein maximales Drehmoment von 132 Nm bei 2.800 U/min.

Im Gegensatz dazu muß der höher (8,8:1) verdichtete 1,6-Liter Vierzylinder_Kadett-Motor mit Superbenzin betrieben werden. Er erreicht seine Maximalleistung von 75 PS bei 5.200 U/min - das maximale Drehmoment von 113 Nm ist bei 4.000 U/min realisiert.

Rein gefühlsmäßig besteht zwischen den beiden gleich starken Rivalen kein nennenswerter Unterschied und es zeigt sich im Fahrbetrieb, daß beide Autos ausreichend motorisiert sind.

Der vom Leistungsgewicht her bevorteilte Kadett vermag allerdings das Hubraumplus des Ascona zu eliminieren und kann sich bei den Fahrleistungen geringe Vorteile sichern.

Aus dem Stand auf 100 km/h nimmt der kompakte Kadett dem rund 100 kg gewichtigeren Ascona fast eine Sekunde ab und auch in der Höchstgeschwindigkeit erzielt der Kadett mit 165,1 km/h einen um rund 10 km/h besseren Wert.

Das gleiche Bild vermittelten auch die Elastizitätsmessungen, bei denen der Kadett ebenfalls geringsfügig bessere Werte buchte.

Kein nennenswerter Unterschied ergibt sich bei den leicht und exakt schaltbaren Vierganggetrieben.

Eine bessere Note verdient sich der Ascona hingegen beim Innengeräusch. Das moderne Auto ist besser geräuschisoliert und der Phon-Pegel ist in allen Geschwindigkeitsbereichen niedriger als beim Kadett.

Das umgekehrte Bild ergibt sich beim Verbrauch. Der höherverdichtete Kadett-Motor begnügte sich im Stadtverkehr und auf der Landstraße durchschnittlich mit einem Liter Benzin pro 100 km weniger als der Ascona.

Lediglich auf der Autobahn konsumierten beide Modelle annähernd die gleiche Menge Kraftstoff.

Von der Konstruktion her gleichen sich die Fahrwerke der beiden mit ausgesprochen gutmütigen und sicheren Fahreigenschaften aufwartenden Starrachs-Modelle.

Nicht befriedigen kann hingegen der Federungskomfort des handlichen Kadetten, der im Interesse eines sicheren Fahrverhaltens straff ausgelegt wurde und Straßenunebenheiten unverzüglich an die Passagiere weitergibt.

Der Ascona genügt zwar ebenfalls nur durchschnittlichen Ansprüchen, doch zeigt sich im direkten Vergleich, daß das größere Modell dank seines längeren Radstandes und der längeren Federwege mit Unebenheiten besser fertig wird als der Kadett.

Fazit:

Der äußerlich moderner wirkende Opel Ascona bietet mehr Platz im Innenraum und wird dem Anspruch als Familienauto durch seine Vorteile auf dem Fahrwerks-Sektor, wo er einen komfortableren Eindruck hinterläßt, gerecht.

Für den kleineren Opel Kadett spricht neben seinem niedrigeren Anschaffungspreis das gerinbgfügig bessere Beschleunigungsvermögen sowie der um 44 Liter größere Kofferraum.