Opel Admiral A 2600 Automatik

erschienen in der Auto Motor Sport vom 15.05.1965

 

Opel Admiral mit automatischem Getriebe

Die Verhältnisse in der "Komfortklasse" sind wieder interessanter geworden, seit Opel mit geschärften, neuen Waffen antrat und dem Erzkonkurrenten Daimler-Benz Boden abnahm. Für Opel ist das mehr eine Prestige-Angelegenheit als eine Frage des geschäftlichen Gewinns, denn bisher sieht es nicht so aus, als ob die Stückzahlen jene Größenordnungen erreichen könnten, die bei Rekord oder Kadett selbstverständlich sind.

Obwohl die beiden Sechszylinder-Modelle Kapitän und Admiral nicht nur repräsentativ, sondern auch preisgünstig sind, gelang es noch nicht, neue Marktschichten für sie zu interessieren. Es sind praktisch immer die gleichen Leute, an die man diese Wagen verkaufen kann.

Der Anschaffungspreis scheint dabei weniger entscheidend zu sein als der Hubraum: an 2,6-Liter-Motoren traut sich die Masse der Käufer angesichts der hohen Hubraum- und Benzinsteuern immer noch nicht heran.

Das ist schade, denn diese Autos sind zweifellos den Preis wert. Sie sind, um es mit einem Wort zu sagen, "kommoder" als jene in großen Massen produzierten 1,5 bis 1,8-Liter-Wagen, mit denen Mitteleuropa fährt.

Sie sind leise und nervenschonend und haben durch ihr höheres Gewicht zwangsläufig auch einen besseren Fahrkomfort. Das wird um so wichtiger, je voller die Straßen werden - eine angenehme Umgebung erleichtert es Fahrer und Mitfahrern, die Verkehrsverhältnisse heute über sich ergehen zu lassen. Die Verkehrsverhältnisse werfen allerdings auch die Frage auf, ob Autos wie Kapitän und Admiral, die ja nichts als ein "Amerikaner" mit geringfügig verkleinerten Außenabmessungen sind, für Europa die richtige Konzeption darstellen.

Neben ihrem Hubraum mag auch ihre Länge und Breite jene Interessenten ein wenig abstoßen, denen es wohl um kommodes Fahren, aber weniger um Repräsentation geht. Denn die Repräsentation ist mit umständlichem Parken und Rangieren verbunden - das ist nun einmal nicht zu bestreiten. Opel versucht, für solche Leute mit dem Sechszylinder-Rekord eine Zwischenlösung zu bieten, aber bei diesem Wagen scheint wiederum die Tatsache zu stören, daß er äußerlich wie ein "gewöhnlicher" Rekord aussieht und nicht mehr Federungskomfort zu bieten hat, wie dieser.

Solange in Deutschland keine Wagen gebaut werden, die gleichzeitig kompakt und komfortabel sind, haben wir nur die Wahl zwischen Mittelklassautos und den komfortablen "Schiffen", zu denen wohl auch die Mercedes-Modelle gerechnet werden müssen.

Nur noch zwei Gänge

In Amerika, wo das Repräsentationsstreben ohnehin zu mächtig war, um das Entstehen übergroßer Autos zu verhindern, hat man alles getan, um den Umgang mit diesen Fahrzeugen mühelos zu machen.

Ein wesentlicher Bestandteil dieser Entwicklung war die Einführung automatischer Getriebe.

Da keine Automobilindustrie der Welt so viel Erfahrung mit solchen Getrieben hat wie die amerikanische, war es für die General-Motors-Tochterfirma Opel naheliegend, in ihren Komfortmodellen ebenfalls das Fahren ohne Schalten einzuführen.

Den Anfang machte im Jahr 1961 das Hydramatic-Getriebe im Opel Kapitän.

Wir beschrieben diese interessante Konstruktion in Heft 3/1961 ausführlich: es handelte sich um ein automatisches Dreigang-Getriebe auf der Basis des gleichnamigen, von Genral Motors viel verwendeten Aggregats, das für europäische Verhältnissse besonders präpariert war.

Dieses Getriebe arbeitete mit einer hydraulischen Kupplung für den Anfahrbereich und den 3. Gang, während im 2. Gang eine rein mechanische Kraftübertragung wirksam war.

In die hydraulische Kupplung war ein Drehmomentverstärker, ein so genannter Multiplikator eingebaut, der das Anfahrmoment verstärkte.

Im Gegensatz zu den sonst üblichen Drehmomentwandlern war dieser Multiplikator (ein kleines Schaufelra zwischen Pumpen- und Turbinenrad der hydraulischen Kupplung) jedoch nur im  1. Gang wirksam. Multiplikator und mechanischer 2. Gang verbesserten den Wirkungsgrad des Getriebes, den der bei rein hydraulischer Kraftübertragung und Drehmomentwandlung unvermeidbare Schlupf wurde in sehr engen Grenzen gehalten, und es ergab sich somit nur eine geringe Verbrauchserhöhung.

Viele Kapitän-Fahrer werden es bedauern, daß Opel bei der neuen automatischen Ausführung des Kapitän bzw. Admiral dieses Getriebe nicht mehr verwendet.. Die Gründe dafür sind unbekannt - vielleicht hat sich die Produktion nicht gelohnt, denn die in Europa verkauften Stückzahlen waren nicht sehr groß.

Auch kann die Tatsache eine Rolle gespielt haben, daß das kompliziert aufgebaute Getriebe etwas reparaturanfälliger war als die übrigen amerikanischen Seriengetriebe.

Tatsache ist jedenfalls: der neue Kapitän und Admiral erheilten eine völlig andere Automatik.

Sie besteht nach amerikanischem Normalrezept aus einem hydraulischen Drehmomentwandler, der gleichzeitig als Kupplung fungiert, und einem Zweigang-Planetengetriebe.

Das Aggregat ist kleiner, leichter und einfacher als die Hydramatic, hat diesem gegenüber aber prinzipielle Nachteile. Der Wirkungsgrad ist durch den ständig mitarbeitenden Wandler ungünstiger, und trotz Wandler kann es nicht in allen Geschwindigkeitsbereichen so günstige Übersetzungsmöglichkeiten bieten, wie das Dreigang-Hydramatic.

Im Aufbau gleicht das Getriebe demjenigen des  Opel Diplomat. Es ist jedoch, der geringeren zu übertragenden Leistung entsprechend, kleiner dimensioniert.

Da der Motor weniger elastisch und der Gesamtgeschwindigkeitsbereich weniger umfangreich ist (der Diplomat läuft 200 km/h, der Admiral dagegen nur ca. 155 km/h), wurden die Übersetzungsverhältnisse anders ausgelegt: die Hinterachsübersetzung beträgt 3,7 (statt 3,08 beim Diplomat) und der Bereich des Wandlers 2,46 statt 2,1.

Die Übersetzunsverhältnisse des Planetengetriebes sind dagegen mit 1,82 und 1,0 gleich.

Auch die technische Ausrüstung ist unverändert: das Arbeiten ist von einer vom Motor angetriebenen Ölpumpe abhängig, weshalb der Wagen nicht angeschleppt werden kann, wenn einmal der Motor nicht anspringt.

Auch das Abschleppen ist nur in Neutralstellung des Wählhebels und mit maximal 45 km/h möglich. Das war übrigens beim Hydramatic schon genauso, beim automatischen Daimler-Benz-Getriebe ist das Anschleppen möglich.

Über 80 km/h phlegmatisch

Wie bei jedem Automatikwagen muß man beim automatischen Kapitän bzw. Admiral diejenigen Eigenschaften, die mit dem Getriebe zusammenhängen, von den motorabhängigen unterscheiden. Beim Diplomat erleichtert das enorme Drehmoment des 4,6-Liter-Achtzylinders die Dinge sehr: bei diesem Motor käme man schon beinahe ohne Drehmomentwandler mit zwei Gängen aus. Der kleinervolumige Kapitän-Motor dagegen hat nur etwa das halbe Drehmoment aufzuweisen und ist durch die letzte Leistungssteigerung von 90 auf 100 PS noch etwas weniger elastisch geworden als früher, weshalb es durchaus konsequent war, in der Normalausführung nun ein Schaltgetriebe mit vier statt bisher drei Gängen anzubieten.

Eine Zweigangautomatik ist unter solchen Bedingungen kein Ideal, und auch der vergrößerte Bereich des Wandlers kann nichts herbeizaubern, was nicht vorhanden ist.

Im unteren Geschwindigkeitsbereich, wo noch Kraftreserven vorhanden sind, fährt sich der Wagen äußerst angenehm: er ist elastisch, die Gangwechsel sind kaum zu spüren, für volles Beschleunign kann durch Kickdown der untere Gang "geholt" werden.

Diese Möglichkeit besteht aber nur bis 80 km/h - darüber ist man auf die Kombination Wandler-direkter Gang angewiesen, die dem Wagen nur noch ein recht schwerfälliges Temperament zu verleihen vermag.

Der Motor zeigt zwar eine gewisse "Sturheit": einmal erreichte Geschwindigkeiten behält der Wagen auch am Berg bei, so daß man bei günstigen Verkehrsbedingungen recht gute Gesamtdurchschnitte erreichen kann.

Wird man aber an einer Autobahnsteigung gezwungen, auf 80 km/h oder weniger herunterzugehen, dann muß man sich in Geduld fassen: jeder Kleinwagen, der einen bis 100 km/h oder darüber reichenden 3. Gang hat, kommt dann besser vorwärts.

Nicht anders ist es beim Überholen auf Landstraßen. An einem zwischen 70 und 80 km/h fahrenden Lastzug kommt man schlecht vorbei - es fehlt einfach der Beschleunigungsgang. Die zusätzliche "S"-Stufe des alten Hydramatic-Getriebes war in solchen Fällen Gold wert.

Das Fahren setzt mit dieser Motor-Automatik-Kmbination eine etwas phlegmatische Gemütsverfassung voraus. Man muß in Situationen, die in anderen Wagen klare und risikolose Überholmöglichkeiten darstellen, hintenbleiben und andere, auch kleinere Mitstreiter (z.B. Kadett S) vorbeilassen können.

Der automatische Admiral ist ein Auto für ruhige, ältere Herren oder für solche, die sich alt fühlen. Er stellt dafür auch denkbar wenig Ansprüche an den fahrerischen Tätigkeitsdrang: man kommt fast immer mit der Fahrstufe "D" aus, braucht sich also mit dem Wählhebel überhaupt nicht zu beschäftigen.

Höchstens an starken Steigungen ist es ratsam, auf low (L) zu gehen, weil die Automatik sonst bei jedem Gaswegnehmen hochschaltet.

Am meisten überzeugend ist diese Automatik also im Kurzstreckenverkehr, besonders in der Stadt, wo sie eine echte Erleichterung bedeutet und keine fühlbaren Nachteile mit sich bringt - abgesehen vom Vebrauch, der spürbar höher ist als bei der mechanischen Ausführung. Wir kamen im Testdurchschnitt auf bis zu 18 Liter/100 km, im Schnitt muß man mit ca. 1,5 Litern mehr rechnen als ohne Automatik.

Fahren, Lenken, Bremsen

Mit den übrigen Eigenschaften des Kapitän / Admiral haben wir uns in unseren Berichten im vorherigen Jahr schon ausführlich auseinandergesetzt. Als erfreulich empfanden wir wiederum die Fahreigenschaften: ein sicheres, neutrales Kurvenverhalten auch auf nasser Fahrbahn, gute Richtungsstabilität, Unempfindlichkeit gegen Seitenwind.

Der Komfort ist dagegen nur befriedigend, solange keine kurzen und starken Bodenwellen auftreten, die kräftige Erschütterungen im Wagen hervorrufen und sich auch in der Lenkung bemerkbar machen.

An diesem Verhalten dürfte nicht nur die relativ harte Federung, sondern auch die Güte der Stoßdämpfer schuld sein. Wir hatten noch keine Gelegenheit, Versuche mit anderen Stoßdämpfern zu machen, hörten aber, daß mit Bilstein-Gasstoßdämpfern auf diesem Wagen gute Erfahrungen gemacht wurden.

Daß die Servolenkung kein unnötiges Zubehör ist, ließ der Testwagen recht deutlich erkennen, denn er hatte sie nicht.

Enge Kurven und Rangieren auf Parkplätzen sind mit der Normallenkung recht mühsam, was bei der sonst leichten Bedienbarkeit des Wagens besonders auffällt.. Der Bremsverstärker dagegen gehört zur Serienausrüstung, er dosiert die Bremskraft so, daß bei langsamem Fahren die Bremse nicht giftig anspricht, während bei voll beladenem Wagen zwar mehr, aber noch nicht zuviel Fußkraft verlangt wird.

Bremswirkung und Gleichmäßigkeit waren gut - die Fahrleistungen des Sechszylinders stellen ja auch an die Bremsen weit geringere Anforderungen als die des Achtzylinders.

Wie lange der jetztige Sechszylindermotor, eine Konstruktion von ehrwürdigem Alter, noch im Kapitän und Admiral seinen Dienst tun wird, das ist bisher nur in wenigen Rüsselsheimer und Detroiter Vorstandszimmern bekannt. Daß er demnächst abgelöst wird, dürfte wohl keine Frage sein, und der Nachfolger wird sicherlich ein Plus an Leistung und Drehmoment bringen.

Da er aber ungefähr in der gleichen Hubraumklasse bleiben muß, kann er in Kombination mit dem jetztigen automatischen Getriebe, das sicherlich beibehalten wird, keine grundsätzlich anderen Ergebnisse liefern.

Dies bleibt dem Achtzylinder vorbehalten, der ja gegen einen Aufpreis von DM 3.750,-- (einschließlich Automatik) auch in die Modelle Kapitän und Admiral eingebaut wird und dann jenen Leistungs- und Drehmomentluxus bietet, der die am meisten faszinierende Eigenschaft amerikanischer V8-Wagen ist.

Der Sechszylinder ist in Kombination mit dem Vierganggetriebe fahrerisch befriedigender - ausgenommen solche Fälle, wo auf Beschleunigung und Kraftreserve im oberen Geschwindikeitsbereich kein Wert gelegt oder der Wagen nur im Kurzstreckenverkehr eingesetzt wird.

Automatik und Sechszylinder sind ja nur eine von vielen Kombinationsmöglichkeiten im Programm der preisgünstigen und komfortablen großen Opel-Autos.

Daß es diese, aber auch noch etliche andere Möglichkeiten gibt, darin liegt die Anziehungskraft der Rüsselsheimer Typenpolitik.