Fahrbericht Opel Rekord E1 2.0 S / 2.0 N

 

erschienen in der Auto Motor und Sport vom 23.11.1977

 

Rekord der Rekorde

Europas erfolgreichstes Mittelklasse-Auto präsentiert sich in neuem Gewand.

Was James F. Waters, Generaldirektor der in Rüsselsheim am Main ansässigen Adam Opel AG als "eine große Herausforderung" für sein mit der Entwicklung des neuen Rekord-Modells betrautes Techniker-Team bezeichnete, kann in der Tat als höchst diffizile automobiltechnische Aufgabe bezeichnet werden.

Denn es ging bei ihr im nicht mehr und nicht weniger als einen wahrhaftigen Nachfolger für die Nummer Eins in der europäischen Mittelklasse, den seit 1972 in über 1,1 Millionen Exemplaren verkauften Rekord D, zu realisieren. Keineswegs leichter wurde diese Aufgabe durch die bei Opel unabdingbare Forderung nach höchstmöglicher Zuverlässigkeit und einer ebenso definierten geschäftlichen Rendite. Hinzu kam, daß sich Erbfeind Ford in Köln mit dem neuen Granada besonders sorgfältig gerüstet hatte.

Auf den ersten Blick scheinen die Opel-Strategen tatsächlich etwas in die Defensive gedrängt, offeriert doch der repräsentativ wirkende Granada neben einzeln aufgehängten Rädern außerdem eine attraktive, breit gefächerte Palette an Vier- und Sechszylindermotoren von 65 bis 160 PS.

Solche Attribute hat der neue Rekord vorerst nicht zu bieten. Aber bekanntlich haben die Rüsselsheimer mit den neu entwickelten, auf der IAA bereits vorgestellten Modellen Commodore, Senator und Monza für das kommende Frühjahr noch drei wichtige Pfeile im Köcher. Bis dahin müssen allein der Reiz der neuen Karosse sowie die nach Art des Hauses in kleinen, vorsichtigen Schritten erzielten Verbesserungen die Rekord-Bänder in Schwung halten. Wie gut die Chancen hierfür stehen, untersuchte auto motor und sport anhand von zwei Zweiliter-Vergasermodellen mit 90 bzw. 100 PS-Motor.

Karosserie

Seit Opel von den früher üblichen, jährlichen Modellwechseln abgerückt und in einen vernünftigen Fünfjahres-Rhythmus übergegangen ist, orientiert sich auch in Rüsselsheim das Karosserie-Styling verstärkt an funktionellen Gesichtspunkten.

So ist es beim neuen Rekord gelungen, bei praktisch unveränderten Außenmaßen mehr Innenraum und einen annähernd gleich großen Kofferraum wie beim Vorgängermodell zu schaffen (352 statt 364 Liter nach auto motor und sport-Norm).

Außerdem konnten durch die tief heruntergezogene Frontpartie und das verhältnismäßig voluminöse, hohe Heck günstigere aerodynamische Verhältnisse erzielt werden. Verringerter Auftrieb an der Vorderachse, geringerer Benzinverbrauch und eine größere Höchstgeschwindigkeit sind die meßbaren Vorteile der keilförmigen Außenhaut.

Die tief angesetzte Gürtellinie und die großzügige Verglasung gewähren erstklassige Sichtverhältnisse und lassen darüber hinaus den  Innenraum hell und freundlich erscheinen. Hier ergeben sich durch eine um drei Zentimeter vergrößerte Schulterfreiheit sowie durch mehr Knieraum und mehr Kopffreiheit im Fond ausgesprochen vernünftige, für die Praxi völlig ausreichende Raumverhältnisse. Sie erscheinen auch schon deshalb besonders praxisgerecht, weil sie in Verbindung mit den kompakten Außenabmessungen wesentlich zum positiven Eindruck vorbildlicher Handlichkeit beitragen. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die gute Sitzposition und die korrekte Anordnung des Lenkrads und der leichtgängigen Pedalerie.

Die Sitze selbst wurden ganz neu gestaltet. Sie besitzen gut dämpfende Vollschaumpolster sowie angenehme rutschfeste Stoffbezüge. Die mit einer vorbildlichen Lehnenverstellung versehenen Vordersitze bieten in Kurven guten Seitenhalt, und auch im Fond läßt der Sitzkomfort insgesamt kaum Wünsche offen.

Völlig neu gestaltet wurde auch das Armaturenbrett, dessen klar gezeichnete Instrumente gut ablesbar und absolut blendfrei im Blickfeld des Fahrers liegen. Alle Bedienungshebel und Schalter sind so placiert, daß sie auch vom angeschnallten Fahrer bequem erreicht werden können. Neu ist eine über dem Handschuhfach angeordnete, muldenförmige Ablage im Armaturenbrett, so daß zusammen mit den Ablagemöglichkeiten auf der Mittelkonsole und in der Fahrer-Tür in diesem Punkt besonders gut vorgesorgt ist.

Gut vorgesorgt wurde auch für eine angenehme Temperierung des Innenraums - durch eine neue, nach dem Mischluftsystem funktionierende Heizungs- und Lüftungsanlage. Die Heizung spricht schon bald nach dem Starten des Motors an, sie kann feinfühlig reguliert werden und ist von der Fahrgeschwindigkeit weitgehend unabhängig. Ausreichende Wirksamkeit kann auch dem Frischluftsystem sowie dem vierstufigen, relativ laufruhigen Radialgebläse bescheinigt werden.

Serienausstattung

Rekord Rekord L Rekord Berlina
  • Verbundglas-Frontscheibe
  • Heizbare Heckscheibe
  • Rückfahrscheinwerfer
  • Zeituhr
  • Liegesitze
  • Kopfstützen vorn
  • Automatikgurte vorn
  • elektrische Scheibenwaschanlage mit Intervallschaltung
  • abschließbarer Tankdeckel
  • Tageskilometerzähler
  • Motorraumbeleuchtung
  • Mittelarmlehne hinten
  • abblendbarer Innenspiegel
  • Ausstellfenster hinten (zweitürig)
  • Halogen-Scheinwerfer
  • von innen verstellbarer Außenspiegel
  • Veloursausstattung
  • abschließbares Handschuhfach
  • zusätzliche Geräuschdämmung
  • Vierspeichen-Lenkrad

Wie die Ausstattungs-Tabelle zeigt, ist beim Rekord schon die Grundausstattung so ausgelegt, daß keineswegs ein ärmlicher Eindruck entsteht. Bei den mit der DM 660,-- teureren L-Ausstattung ausstaffierten Testwagen wurden lediglich Halogen-Scheinwerfer vermißt. Die um weitere DM 725,-- teurere Berlina-Ausstattung offeriert darüber hinaus im wesentlichen wertvollere Sitzbezüge, ein Vierspeichen-Lenkrad sowie ein zusätzliches Geräuschdämpfungs-Paket.

Allen Ausführungen gemeinsam ist die routinierte Machart und die saubere Gestaltung selbst kleinster Details, die auch bei diesem Opel schon zu Beginn der Serie einen sehr guten Qualitätseindruck entstehen lassen.

Die Motoren

Erwartungsgemäß griffen die Opel-Techniker für die Motorisierung der neuen Rekord-Baureihe auf Bewährtes zurück.

Fünf Benzinmotoren und ein Diesel mit Leistungen von 60 PS bis 110 PS stehen jetzt zur Auswahl. Dem Trend zum größeren Hubraum folgend wurde eine 90 PS starke Zweiliter-Variante, die sich mit Normalbenzin begnügt, neu ins Programm genommen. Vom 10 PS stärkeren 2.0-S-Motor unterscheidet sich der Normalverbraucher außer im Verdichtungsverhältnis (8,0:1 statt 9,0:1) nur in der Vergaserbestückung.

Wenn diese Maschine auch gewiß kein Ausbund an Kraft und Temperament ist, so sorgt sie doch für eine ausgewogene, harmonische Motorisierung der neuen Limousine. Sie arbeitet unauffällig und leise und wirkt nicht mehr so zäh wie frühere, vergleichbare Opel-Antriebe.

Neben dem neuen Varajet II-Registervergaser, der im Opel-Werk Straßbourg produziert wird, ist die verbesserte Gasannahme ebenfalls die Folge einer geänderten Gasgestänge-Kinematik. Außerdem steht - im Gegensatz zu früher - jetzt das Gaspedal in einem günstigeren Winkel zum Fahrerfuß.

Wie die Meßwerte zeigen, unterscheiden sich die Fahrleistungen der beiden Zweiliter-Versionen 2.0 und 2.0 S im Beschleunigungs- und Elastizitätsverhalten nur geringfügig. Lediglich im oberen Geschwindigkeitsbereich und in der Höchstgeschwindigkeit hat die 100 PS-Maschine etwas mehr zu bieten als das 90 PS-Pendant.

Mit 175,6 km/h beziehungsweise 166,7 km/h sind beide Rekord-Versionen jedoch deutlich schneller als ihre weniger funktionell gestalteten Vorgänger - im wesentlichen eine Folge der strömungsgünstigeren Karosserieform.

Daß die Fahrleistungsunterschiede in den bevorzugten Tempobereichen nicht größer sind, liegt an den unterschiedlichen Hinterachsübersetzungen: Während das N-Modell eine Gesamtübersetzung von 3,89 aufweist, ist das S-Modell mit 3,67 spürbar länger übersetzt, was eine Absenkung des Drehzahlniveaus zur Folge hat.

Größere Geräusch-Unterschiede ergaben sich bei den Messungen jedoch nicht, was auch dem subjektiven Fahreindruck entspricht. Beide Triebwerke, die alter Opel-Tradition entsprechend ausgesprochen kurzhubig ausgelegt sind, arbeiten vibrationsarm und vorbildlich kultiviert und leise. Dies ist nicht zuletzt auch eine Folge der hydraulischen Ventilstößel, die außerdem das aufwendige Einstellen des Ventilspiels überflüssig machen.

Im Testmittel wurde für den Rekord-N ein Benzinverbrauch von 13,4 Liter/100 km und für den Rekord-S ein solcher von 13,9 Liter/100 km gemessen. Gute Durchschnittswerte also, die bei etwas zurückhaltender Fahrweise leicht um etwa 10% abgesenkt werden können.

Das Fahrwerk

Bei der Fahrwerksauslegung für den neuen Rekord leisteten sich die Opel-Ingenieure einen vergleichsweise großen Entwicklungsschritt. Zwar blieb es - wie schon bei fünf Millionen Rekord-Modellen zuvor - bei der starren Hinterachse, doch sind die Vorderräder jetzt nicht mehr an doppelten Querlenkern, sondern an einer McPherson-Federbeinachse aufgehängt. Um das Ansprechverhalten der Federung möglichst feinfühlig zu machen, erhielten Kolben und Kolbenstangendichtungen der Federbeine eine besonders gleitfähige Teflon-Beschichtung.

Die von fünf Streben geführte Hinterachse wurde auf die neue Vorderachse abgestimmt, außerdem wurden alle Aufhängungspunkte zur Verbesserung der Geräuschisolierung im Gummivolumen vergrößert.

Das Ergebnis dieser Modifikationen ist - vor allem in Anbetracht des geringen technischen Aufwands - durchaus überzeugend. Denn bei vorbildlich neutralem, völlig problemlosem Kurvenverhalten ist es gelungen, die früher unzulänglichen Komforteigenschaften doch spürbar zu verbessern. Das gilt insbesondere für den Abroll-Komfort; das Schluckvermögen der neuen Federbeinachse ist bei groben Bodenwellen ebenso gut wie das sensible Ansprechen auf kleine Unebenheiten.

Dagegen sorgt die Hinterachse nach wie vor für Stöße und für gelegentliche Vertikalbewegungen der Karosserie. Besonders bei schnell überfahrenen schlechten Autobahnpassagen verursacht sie spürbare Unruhe.

Die sicheren Fahreigenschaften des neuen Rekordfinden sich in der exakten Arbeitsweise der beim normalen Fahren ausreichend leichtgängigen Kugelumlauflenkung eine wertvolle Ergänzung. Das gilt besonders für die allerdings fast DM 1.000,-- Aufpreis kostende Servolenkung. Sie verbessert die dem Rekord ohnehin eigene Handlichkeit vor allem beim Rangieren um ein beträchtliches.

Der neue Rekord wäre kein echter Opel, wenn nicht jedes Detail auf besonders zuverlässigen Betrieb und die erstrebenswerte, zeitgemäße Wartungsfreundlichkeit ausgelegt wären. Zweifellos besitzt auch diese verfeinerte Rekord-Ausgabe hier ihre erfolgversprechende, ganz besondere Stärke.

Testzeugnis

Prüfpunkt Bewertung
Ausstattung

Bis auf Halogen-Scheinwerfer weitgehend komplette Serienausstattung (unter anderem Verbundglas-Frontscheibe, heizbare Heckscheibe, elektrische Scheibenwaschanlage mit Intervallschaltung), gut dosierbare Heizung, ausreichende Belüftung.

3
Bedienung und Handlichkeit

Griffgünstig angeordnete Schalter und Hebel, klar gezeichnete, blendfreie Instrumente. Exakte, ausreichend leichtgängige Lenkung. Für diese Wagenklasse gute Handlichkeit.

2
Fahreigenschaften

Neutrales, völlig unproblematisches Kurvenverhalten. Guter Geradeauslauf. Nur mäßige Bodenhaftung der Antriebsräder auf schlechter Fahrbahn. Den Fahrleistungen entsprechend ausreichend dimensionierte, standfeste Bremsen.

2
Karosserie

Sehr übersichtliche Karosserie mit gutem Raumgefühl, vernünftiges Platzangebot und ausreichendes Kofferraumvolumen. Gute Verarbeitungsqualität.

2
Komfort

Ausreichender Federungskomfort, guter Abrollkomfort, begrenztes Schluckvermögen der Hinterachse. Bequeme Sitze, leiser Motor.

3
Fahrleistungen

Befriedigende Fahrleistungen, durchschnittliche Motor-Elastizität. Beschleunigung von 0 - 100 km/h in 12.6 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 175,6 km/h.

3
Motor und Kraftübertragung

Vibrationsarm und leise laufender Vierzylinder-Kurzhubmotor mit ausreichendem Drehvermögen. Leicht und exakt schaltbares Viergang-Getriebe.

3
Wirtschaftlichkeit

Durchschnittliche Unterhaltskosten bei 10.000 km/Jahr 38,5 Pf/km, bei 20.000 km/Jahr 31,6 Pf/km, bei 30.000 km/Jahr 29,3 Pf/km. Inspektion und Ölwechsel alle 10.000 km. Ein Jahr Garantie ohne Km-Begrenzung. Noch angemessener Kraftstoffverbrauch, Testverbrauch 13,9 Liter/100 km.

3