E85 - Umrüstung

 

Die hohen Kraftstoffpreise verleiten dazu, kostengünstigere Alternativen zu suchen. E85 wird in diesem Zusammenhang genannt, weil dieser Ethanol-Kraftstoff bis 2015 von der Mineralölsteuer zu 85% befreit ist und daher weit günstiger als handelsüblicher E5 bzw. E10 Kraftstoff angeboten werden kann. Allerdings gibt es auf dem europäischen Markt relativ wenige Fahrzeuge, die mit speziell auf den Betrieb mit Ethanol ausgelegten Motoren ausgestattet sind.

Vor allem im Internet werden Nachrüstungen angeboten, die es angeblich ermöglichen, E85 auch bei Motoren als Kraftstoff zu verwenden, die ab Werk nicht auf Ethanol-Kraftstoffe ausgelegt sind. Die Umrüstsätze werden zum Teil recht aggressiv beworben, wobei wichtige Fakten zu diesen Geräten und auch Risiken für die Fahrzeugtechnik gerne verschwiegen werden.

 

1) Herstellerfreigabe

Seitens der Adam Opel GmbH ist E85-Kraftstoff nur für die so genannten "Flex-Fuel"-Motoren freigegeben. Kraftstoffsystem, Gemischaufbereitung, Kennlinien der Zündanlage und Motor sind speziell auf diese Kraftstoffart abgestimmt.

 

1) Was bedeutet "E85-Kraftstoff"?

Das "E" steht für "Ethanol", die Zahl dahinter für den prozentualen Anteil des Alkohols im Kraftstoff. E85-Kraftstoff besteht also zu 85 Vol.% aus Ethanol, die restlichen 15 Vol.% aus handelsüblichem Ottokraftstoff.

 

2) Was unterscheidet E85-Kraftstoff von E5-Kraftstoff im Hinblick auf den Verbrauch?

In Deutschland angebotener Otto-Kraftstoff muß der Norm DIN EN 228 entsprechen. Bereits heute darf dem Otto-Kraftstoff in Deutschland ein Anteil von bis zu 10 Vol.% Ethanol beigemischt sein (Super E10). Ethanol hat im Gegensatz zu Benzin leider eine deutlich niedrigere Energiedichte und enthält Wasser, was in Metalltanks eine fatale Rostneigung zur Folge hat.

E85-Kraftstoff hat daher eine um bis zu 43% niedrigere Energieausbeute als  fossiler Kraftstoff. Das bedeutet, daß über 40% mehr E85-Kraftstoff  benötigt werden um dieselbe Leistungsausbeute wie bei E5-Kraftstoff zu erzielen. Ein Omega A C20NE mit einem (bei E5) durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch von 10 Liter pro 100 km (im Kurzstreckenbetrieb) wird mit E85 also deutlich mehr, und zwar bis zu 14 Liter pro 100 km verbrauchen. 

Rechnerisch sieht das dann so aus:

Preis des E5-Kraftstoffes derzeit (Stand: 23.02.2014) € 1,49 x 10 Liter = € 14,90 pro gefahrene 100 km
Preis des E85-Kraftstoffes derzeit € 1,05 x 14 Liter = € 14,70 pro gefahrene 100 km

Mit diesen Parametern ergibt sich also bei Verwendung von E85-Kraftstoff ein rechnerischer Vorteil von € 0,20 pro gefahrene 100 km. Bei 15.000 gefahrenen Jahreskilometern würde die Verwendung von E85-Kraftstoff - bei konstantem E5-Kraftstoffpreis - eine Ersparnis von € 30,-- ( oder mtl. € 2,50) ergeben. Selbst bei einem angenommenen Durchschnittsverbrauch von nur 13 Liter/100 km bei Verwendung von E85 würden sich Kraftstoffkosten von € 13,65 ergeben, was bei angenommener Jahresfahrleistung von 15.000 km eine Ersparnis von € 187,50, monatlich also € 15,63 ergäbe.

Alleine diese Rechnung verdeutlicht, daß je nach Betriebsbedingungen nur eine geringfügige Einsparung bei Verwendung dieses Ethanol-Kraftstoffs vorhanden ist, dem allerdings teure Kostenrisiken gegenüberstehen.

Erst im August 2008 erfolgte eine Normierung des E85-Kraftstoffs als Ethanol-Kraftstoff nach DIN 51625. Dies bedeutet, daß E85 abgesehen vom Mengenverhältnis zwischen Alkohol und Ottokraftstoff erst seit diesem Zeitpunkt festgelegte Mindestanforderungen in Bezug auf die Kraftstoffqualität erfüllen muß. Da Ethanol in jedem Verhältnis mit Wasser mischbar ist, sind vor allem bei längeren Standzeiten eines Fahrzeugs bei nur teilweise gefülltem Tank Eintragung von Wasseranteilen im Kraftstoff möglich, die zu einem weiteren Absinken der Energieausbeute pro Liter Kraftstoff führen. Ethanol-Kraftstoff entmischt sich bei längerer Standzeit, so daß sich die motorische Eignung dieses Kraftstoffs bei längerer Standzeit des Fahrzeugs deutlich verschlechtert.

Manche Vertreiber von Zusatz-Steuergeräten für konstruktiv nicht auf E85-Kraftstoff ausgelegten Motoren behaupten, daß der tatsächliche Mehrverbrauch mit E85 deutlich unter 40% liegen würde. Bei auf E85-Kraftstoff ausgelegten Fahrzeugen wird nach neueren Untersuchungen davon ausgegangen, daß der tatsächliche Mehrverbrauch zwischen 25 ... 30% im Vergleich mit E5-Fahrzeugen beträgt, nicht dafür ausgelegte Motoren allerdings einen deutlich höheren Mehrverbrauch in der Größenordnung um 40% haben.

Jeder Autofahrer weiß, daß der Kraftstoffverbrauch maßgeblich vom eigenen Fahrstil beeinflußt wird. Ein Sparfuchs kann durchaus auch ein mit E85-Kraftstoff betriebenes Fahrzeug relativ nahe an die Verbrauchsangaben heranbringen, die der Fahrzeughersteller für den genormten Testzyklus und im Betrieb mit handelsüblichem E5-Kraftstoff angibt. Doch derselbe Fahrer würde bei gleichem Fahrstil mit E5-Kraftstoff nahezu dieselbe prozentuale Kraftstoffeinsparung erreichen.

 

3) Sind E85-Umrüstungen eintragungspflichtig?

Ja! Laut TÜV Süd, Herrn Gärtner (Tel.: 089/32950854) erlischt die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs mit dem Einbau der Umrüstung, sofern dieses keine ABE oder mindestens eine Typprüfung nach 70220 EWG besitzt. Grund hierfür ist, daß die ABE des Fahrzeugs auch das zugehörige Abgasverhalten beschreibt und nach der Umrüstung naturgemäß nicht mehr gültig ist.

Liegt keine ABE oder mindestens eine Bescheinigung der Typprüfung des Umrüstkits vor, ist der Einsatz dieser Elektronik schlicht illegal und strafbar, sofern keine Einzelabnahme erfolgt.

Manche Anbieter versteigen sich zu der Aussage, daß der Einbau des Gerätes legal sei, nur der Betrieb mit E85 möglicherweise "etwas im Graubereich" liege. Bei reinem E5-Kraftstoffbetrieb würden die Werte schließlich nicht manipuliert. Solche Aussagen sind blanker Unsinn. Schon das betriebsbereite Zusatz-Steuergerät läßt die ABE für das Fahrzeug erlöschen. Da dieses Gerät die Gemischaufbereitung manipulieren kann, kann zudem eine Anzeige wegen Steuerhinterziehung drohen, da die Emissionseinstufung des Fahrzeugs mit dieser Nachrüstung ungültig ist.

Im Juni 2008 hat der TÜV Nord Mobilität, am TÜV 1, 30519 Hannover, ein Informationsblatt herausgegeben, nach dem unter bestimmten Voraussetzungen eine Einzelbegutachtung gemäß § 21 StVZO in Verbindung mit § 19 (2) StVZO möglich wäre. Manche Anbieter suggerieren damit, daß die Eintragung ihrer Umrüstsätze relativ einfach möglich ist.

Gerade dies ist mehr als zweifelhaft, da die Voraussetzungen - ganz im Gegenteil - nur mit einem hohen technischen und damit finanziellen Aufwand überhaupt erfüllbar sind.

Die nachfolgenden Voraussetzungen sind nach dieser InfoPost vom 02.06.2008 des TÜV Nord Mobilität vollumfänglich zu erfüllen:

1) Für das E85-Zusatz-Steuergerät muß eine EMV-Prüfung bzw. eine EG-Systemgenehmigung vorliegen.

In der Praxis bedeutet dies, daß der Hersteller des Gerätes eine Prüfurkunde darüber besitzen muß, daß das Gerät keine elektromagnetische Strahlung aussendet, die andere elektronische Geräte stört oder die so stark ist, daß sie über den Grenzwerten liegt, die für Menschen oder Tiere als schädlich anzusehen ist. Eine Kopie dieser Prüfurkunde muß dem Gerät beiliegen.

   
2) Für das Fahrzeug, in welchem dieses Zusatz-Steuergerät eingebaut werden soll, muß ein positives Abgasgutachten vorliegen, aus dem hervorgeht, daß sich das Abgasverhalten durch die Umrüstung nicht verschlechtert. Mit dieser positiven Abgasmessung ist keine preiswerte AU gemeint, die Ihnen fast jede Kfz-Meisterwerkstatt zum Preis von ca. € 40,-- durchführen kann.

Tatsächlich muß eine amtliche Abgasmessung durch einen Prüfingenieur nach vorgeschriebenem Prüfzyklus erfolgen. Die Kosten für ein solches Einzel-Abgasgutachten liegen in der Regel deutlich im vierstelligen Euro-Bereich!

Im Rahmen dieses Gutachtens muß bei mit OBD ausgerüsteten Fahrzeugen eine Aussage darüber getroffen werden, daß alle OBD-Funktionen auch mit dem Zusatz-Steuergerät uneingeschränkt erhalten bleiben oder - sofern bestimmte Funktionen in Verbindung mit diesem Gerät ausfallen - eine anderweitige, gleichwertige Ersatzlösung vorhanden ist.

3) Für das Fahrzeug muß ein Motorleistungsnachweis mit E85-Kraftstoff vorgelegt werden. Für den Fall, daß sich Motorleistung, Höchstgeschwindigkeit oder Geräuschwerte um mehr als 5% ändern, müssen die ermittelten Werte in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden.

Dieser Motorleistungsnachweis muß ebenfalls von einem Prüfingenieur durchgeführt werden, denn es ist fraglich, ob eine Bescheinigung einer Werkstatt anerkannt wird, die einen Leistungsprüfstand besitzt.

Aus dieser Infopost geht auch nicht hervor, ob Zusatz-Steuergeräte eintragungsfähig sind, die einen Betrieb mit beliebigen Ethanol-Mischungsverhältnissen zulassen, wie sie durch Mischbetankung besteht. Durchaus möglich also, daß nur Geräte im Rahmen einer Einzelabnahme eintragungsfähig sind, die einen Betrieb mit E5 oder E85 zulassen. In der Praxis würde das bedeuten, daß der Tank fast leergefahren werden muß, bevor ein Wechsel zur jeweils anderen Kraftstoffsorte ohne Gefahr für den Motor möglich ist.

Sicher ist: solche Einzelgutachten sind in der Praxis derart aufwendig und teuer, daß sie sich für einen privaten Käufer niemals rechnen. Letztlich wird damit Fahrzeugherstellern oder Zulieferern ermöglicht, Versuchsfahrzeuge mit solchen Zusatz-Steuergeräten legal auszurüsten und im öffentlichen Straßenverkehr zu testen.

 

4) Mehrleistung durch E85?

Bei manchen Nachrüst-Kits für den E85-Betrieb in dafür ursprünglich nicht vorgesehenen Fahrzeugen wird eine Mehrleistung von bis zu 5% versprochen, die mit der höheren Oktan-Zahl (104 MOZ) des E85-Kraftstoffes begründet wird. Denkbar ist eine geringe Mehrleistung nur bei relativ hoch verdichteten Motoren mit Klopfregelung in der Motorelektronik. Bei allen anderen Fahrzeugen ist dies ohne umfangreiche Änderungen an Motor und Gemischaufbereitung nicht möglich.

In diesem Zusammenhang sei an Werbeversprechen der Mineralölkonzerne erinnert, die für den überteuerten 100-Oktan-Sprit ebenfalls eine deutliche Mehrleistung versprachen, der aber bei verschiedenen Tests der Automobilclubs und der Motorpresse nicht oder nur in kaum nennenswertem Umfang nachgewiesen werden konnte.

 

5) Für welche Fahrzeuge ist E85-Kraftstoff ohne Umrüstung verwendbar?

Grundsätzlich müssen alle Komponenten des Kraftstoffsystems sowie Motor und Motorelektronik auf den Betrieb mit Alkohol abgestimmt sein. Diese Fahrzeuge werden von den Kfz-Herstellern unterschiedlich bezeichnet, häufig sind Begriffe wie "Flex-Fuel", "Multi-Fuel" oder "Mehrstoffmotor".

Bei Fahrzeugen, die nicht explizit vom Fahrzeughersteller auf Ethanolbetrieb ausgelegt sind, ist es ohne aufwendige Versuche nicht vorhersehbar, ob bzw. unter welchen Betriebsbedingungen durch den E85-Kraftstoff Schäden an Motor und/oder Kraftstoffsystem ausgelöst werden.

Unter ungünstigen Betriebsbedingungen ist es durchaus vorstellbar, daß der Motor ohne Umrüstung oder mit gealterter, zu langsam regelnder Lambda-Sonde ein zu mageres Gemisch verarbeiten muß. Dadurch steigen die Verbrennungstemperaturen sehr stark an, was zum Schmelzen von Kolben, Ventilen und des Kat führen kann. Gerade bei hohen Drehzahlen oder hoher Last hört man das auftretende "Magerklingeln" des Motors vielleicht nicht und schenkt vielleicht auch dem auftretenden Magerruckeln nicht die nötige Beachtung. Sicher ist: solcher Magerbetrieb ruiniert einen guten Motor innerhalb kürzester Zeit vollständig und endgültig.

Deutliches Zeichen für eine bereits eingetretene Schädigung von Ventilsitzen und Ventilen ist nach Verwendung von E85-Kraftstoff ein weiterhin abnorm hoher Verbrauch, trotzdem dann wieder mehrmals E5-Kraftstoff getankt wurde.

Auch bei dem mit Klopfsensoren ausgestatteten Motor C30SE kann Magerbetrieb nicht vollständig ausgeschlossen werden, da die Motorsteuerung nicht unbedingt so ausgelegt ist, in den Dimensionen anzufetten, wie das für den E85-Betrieb erforderlich ist. Unter Umständen wäre auch eine Kraftstoffpumpe mit höherer Förderleistung erforderlich, um auch bei hoher Last den für die Funktion der Einspritzanlage notwendigen Kraftstoffdruck bereitzustellen.

 

6) Ethanolatkorrosion bei Aluminium-Bauteilen durch E85

Ethanol wirkt auf Aluminium korrosiv, daher können solche Bauteile, wenn sie in Kontakt mit E85-Kraftstoff kommen, im Laufe der Zeit durch Korrosion irreparabel geschädigt werden, auch wenn dies möglicherweise erst bemerkt wird, wenn es bereits zu spät ist. Zylinderköpfe, Kraftstoffpumpen und Ansaugrohre bestehen meist aus einer Aluminium-Legierung, wobei gerade bei den älteren Opel-Modellen völlig offen ist, wie diese Legierungen bei längerem Betrieb mit E85-Kraftstoffen reagieren. E10 oder das in manchen skandinavischen Ländern erhältliche E20 wird wohl ohne Schäden "verdaut", dies muß aber auf noch höhere Ethanol-Beimischungen im Kraftstoff nicht mehr zutreffen. Fahrzeugmotoren, die explizit auf Ethanolbetrieb ausgelegt werden, erhalten speziell gehärtete Ventilsitzringe.

Es ist durchaus möglich, daß die für den Bleifrei-Betrieb ausgelegte Härtung der Ventilsitze noch nicht ausreichend ist, um den dauerhaften Betrieb mit E85-Kraftstoffen zu verkraften. Werden diese Ventilsitzringe durch die mangelnde Schmierwirkung von E85 beschädigt, dann ist die ausreichende Wärmeabfuhr der Ventile nicht mehr gewährleistet, so daß diese buchstäblich verbrennen können. Im Vorfeld kann es durch zunehmende Undichtigkeit der Ventile zu einem Leistungsverlust kommen, weil die Kompressionswerte absinken.

Inzwischen scheint insofern Einigkeit in der Fachwelt zu bestehen, daß nur explizit auf den Betrieb mit Ethanol ausgelegte Kraftstoffpumpen für E85-Kraftstoffe geeignet sind. Bei allen in den älteren Opel-Modellen verbauten Kraftstoffpumpen ist dies zu verneinen, so daß deren Lebensdauer durch Verwendung von E85 drastisch verkürzt werden dürfte.

Äußern könnte sich dies so, daß die Förderleistung der Kraftstoffpumpen im Laufe der Zeit abnimmt, so daß der erforderliche Kraftstoffdruck gerade bei hohen Drehzahlen und hoher Last nicht mehr aufrecht erhalten werden kann und damit der Öffnungsdruck für das Einspritzventil nicht mehr oder nicht lange genug erreicht wird und es damit unter Last zu ruckeligem Motorlauf und Motorklopfen kommt. Trotz Umrüstkit kann es dadurch zu unzulässiger Abmagerung des Gemisches und zur Ruinierung des Motors kommen.

Von den auf diesem Internetauftritt besprochenen Opel-Fahrzeugen bis Modelljahr 2003 besitzt lediglich der Omega Evo 500 ein auf Ethanolbetrieb ausgelegtes Kraftstoffsystem, da dieses seinerzeit als Homologationsmodell für den DTM-Omega dienende Fahrzeug in der Lage sein mußte, den aus Gründen der Klopffestigkeit mit Ethanol angereicherten Rennkraftstoff zu "verdauen".

 

7) Wie reagieren Kraftstofftank und Kraftstoffleitungen auf E85-Kraftstoff?

Die Kraftstofftanks vieler älterer Opel-Modelle bestehen aus Stahlblech, die Kraftstoffleitungen ebenfalls aus einer Stahllegierung. Durch das ausgeprägte  Feuchtigkeitsaufnahmevermögen von E85-Kraftstoffen wird innere Korrosion im Tank sowie den Leitungen begünstigt.

Fahrzeuge, die als Klassiker eher selten bewegt werden, sollten auf keinen Fall mit E85-Kraftstoff vor dem Abstellen betankt werden. Der Tank kann in relativ kurzer Zeit durchrosten, weil reines Ethanol hygroskopisch (wasseranziehend) ist und sich bei längeren Standzeiten (insbesondere bei Kälte) der E85-Kraftstoff entmischt.

Durch innere Korrosion der Leitungen können Rostpartikel zu den Einspritzventilen geschwemmt werden und diese verstopfen oder sogar zerstören. Denn das Kraftstoff-Filter sitzt bei den älteren Opel-Modellen nicht in der Nähe der Einspritzventile, sondern weit entfernt bei der Kraftstoffpumpe. Lediglich Kunststoffleitungen und Kunststofftanks (PE) der neueren Modelle sind resistent gegen E85-Kraftstoff.

Das bedeutet, daß trotz einer ggf. vorgenommenen Nachrüstung der Motorelektronik bei den Modellen mit Stahltank bzw. Stahlleitungen nur eine eingeschränkte E85-Tauglichkeit besteht. Eine Möglichkeit wäre, den Tank innen mit einer ethanolbeständigen Spezialfarbe auszukleiden sowie auf Kunststoff-Kraftstoffschläuche umzurüsten. Die hierfür aufzuwendenden Umrüstkosten dürften sich allerdings selbst langfristig nicht rechnen.

 

8) Wintertauglichkeit von E85-Kraftstoffen

Ab ca. 0°C treten beim Kaltstart Probleme auf, da E85-Kraftstoff - wie schon beschrieben - eine geringere Energiedichte als handelsüblicher E5-Kraftstoff besitzt. Um auch im Winter mit E85-Kraftstoff fahren zu können, ist eine Motorvorheizung erforderlich oder es muß je nach Außentemperatur mehr oder weniger E5-Kraftstoff zugetankt werden.

Damit einhergehend ergibt sich ein weiteres Problem: durch die enorme Kaltstartanreicherung des Gemisches (bedingt durch die relativ niedrige Energiedichte) wird das Öl durch unverbranntes Kondensat sehr schnell enorm verdünnt, was insbesondere bei häufigen Kaltstarts oder häufigem Kurzstreckenverkehr dazu führt, daß das Motoröl seine Schmiereigenschaften weitgehend verliert. Bei einem Reißen des Ölfilms sind kapitale Motorschäden vorprogrammiert und auch ohne Totalversagen des Schmierfilms sorgt die mangelnde Schmierfähigkeit für einen extremen Motorverschleiß.

Zu allen anderen Folgekosten der Umrüstung müssen also auch sehr häufige Ölwechsel einkalkuliert werden. Allein diese führen jede Wirtschaftlichkeitsrechnung des E85-Kraftstoffes ad absurdum. Übrigens: gerade der C30SE-Motor im Omega A bzw. Senator B, der als einziger Motor dieser Baureihen eine Klopfregelung besitzt, reagiert ausgesprochen empfindlich auf mangelhaftes Öl!

 

9) Wie funktioniert die E85-Nachrüstung?

Um trotz der niedrigeren Energiedichte von E85-Kraftstoff eine vergleichbare Motorleistung wie bei E5-Kraftstoff zu erhalten, muß deutlich mehr E85-Kraftstoff verbrannt werden. Da der Kraftstoffdruck vom Steuergerät zumindest bei den in den älteren Opel-Modellen eingesetzten Bosch-Jetronic bzw. Bosch-Motronic nicht beeinflußt wird und die Einspritzdüsen pro Zeiteinheit also eine exakt definierte Kraftstoffmenge in den Brennraum einspritzen, kann der vermehrte Kraftstoffbedarf nur mit einer verlängerten Einspritzzeit bewirkt werden.

Hierzu bieten einige Anbieter ein zusätzliches Steuergerät an, das zwischen Motorsteuergerät und Einspritzdüsen geschaltet wird und mittels eigener Kennlinien anhand der Kühlmitteltemperatur die Einspritzzeit anpaßt und ggf. verlängert. Primitive Geräte haben einen Umschalter, mit dem zwischen dem Betrieb von E5-Kraftstoff und E85-Kraftstoff gewechselt werden kann, was voraussetzt, daß der Tank vor dem Umschalten jeweils weitgehend leergefahren ist. Aufwendigere Geräte erkennen angeblich durch Kraftstoffsensoren vollautomatisch die Gemischzusammensetzung, so daß mit jedem beliebigen Mischungsverhältnis gefahren werden kann.

 

10) Kosten der E85-Nachrüstung

Die vorher beschriebenen Nachrüstkits für den Betrieb des Fahrzeugs mit E85-Kraftstoff kosten je nach Hersteller für einen Vierzylindermotor zwischen € 280,-- und € 450,--, für einen Sechszylindermotor zwischen € 420,-- und € 700,--. Hinzu kommen die Einbaukosten. Die meisten Kits lassen sich laut Hersteller in 45 - 60 Minuten einbauen, so daß je nach Werkstatt hierfür zwischen € 60,-- und € 100,-- aufzuwenden sind. Es gibt aber durchaus Anbieter, die sich das Zusatz-Steuergerät samt Einbau für einen Vierzylindermotor mit bis zu € 800,-- bezahlen lassen. Ohne Einzelabnahme, versteht sich!

Damit kostet alleine die Modifikation der Einspritzanlage einen Betrag, der bei durchschnittlicher Fahrleistung locker das Einsparpotential vieler Jahre auffrißt. Immer vorausgesetzt, daß E5-Kraftstoff auf mindestens dem derzeitigen, hohen Preisniveau bleibt. Manche Systeme können mit vertretbarem Aufwand immerhin in ein anderes Fahrzeug übernommen werden, wenn das umgerüstete Fahrzeug eines Tages wieder abgestoßen wird.

 

11) Welche Fahrzeuge lassen sich für den E85-Betrieb nachrüsten?

Die meisten E85-Nachrüstkits sind nur für Fahrzeuge mit einer Multipoint-Einspritzung geeignet. Multipoint-Einspritzanlagen sind dadurch gekennzeichnet, daß für jeden Zylinder eine separate Einspritzdüse vorhanden ist. Für Fahrzeuge mit Vergaser ist mir derzeit kein Anbieter einer Nachrüstlösung bekannt,  Zentraleinspritzanlagen können nur von wenigen Anbietern umgerüstet werden.

Manche Vertreiber von Nachrüstlösungen behaupten, man müsse bei Vergaser-Fahrzeugen "nur" größere Vergaserdüsen einbauen, um diese mit E85 betreiben zu können. Bei vielen Vergasern (u.a. Varajet II) sind die Düsen jedoch im Gehäuse fest verpreßt, so daß ein einfacher Austausch kaum möglich ist. Zudem wäre ein solches Fahrzeug mit umgerüsteten Vergaser ausschließlich auf E85 angewiesen, da ansonsten ein indiskutabler Verbrauch mit katastrophalen Abgaswerten durch die chronische Überfettung des Gemisches in Kauf genommen werden müßte. Und welche Düsengröße wäre denn dann überhaupt die Richtige?

12) Garantie

Bei den angebotenen Nachrüstsätzen wird meist keine Garantie für Folgeschäden des Fahrzeugbetriebs mit E85-Kraftstoffen übernommen. Garantiert wird nur die regelrechte Funktion des Zusatzsteuergerätes (!).

Bei manchen Geräteherstellern kann eine Zusatzgarantie erworben werden, die auch Folgeschäden unter gewissen Voraussetzungen übernimmt. Diese Garantien kosten im Schnitt zwischen € 100,-- und € 120,-- pro Jahr. Vor Abschluß dieser zusätzlichen Garantieverträge sollten allerdings die Garantiebedingungen sorgfältig geprüft werden.

Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß die Garantie u.a. an die Voraussetzung geknüpft sein könnte, daß die Umrüstung in der Werkstatt durchgeführt wurde, korrekt abgenommen und in die Fahrzeugpapiere eingetragen ist. Leider finden sich die Garantiebedingungen nicht auf den Seiten der mir bekannten Umrüstkit-Anbieter.

Bei Fahrzeugen, die noch unter die Herstellergarantie fallen oder für die wegen Gebrauchtkaufs vom Händler noch eine Gewährleistung besteht, sollte bedacht werden, daß Garantie bzw. Gewährleistung durch die Verwendung von E85-Kraftstoff für wesentliche Bauteile des Fahrzeugs aufs Spiel gesetzt werden.

 

13) Alles Bio, oder was?

Die E85-Kraftstoffe werden - da Ethanol aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wird - als besonders ökologisch angepriesen. Alkohol verbrennt wesentlich umweltfreundlicher als E5-Kraftstoff, wodurch die Schadstoffemissionen durch den Betrieb mit E85 deutlich reduziert werden können. Richtig ist sicher auch, daß das bei der Verbrennung freigesetzte CO² vorher von der Pflanze aufgenommen wurde und sich der Betrieb von Fahrzeugen - vordergründig betrachtet - als relativ umweltfreundlich darstellt.

Dies ist aber nur ein Teil der Wahrheit. In Deutschland gibt es bei weitem nicht genug Anbauflächen für Ethanol-Rohstoffe, um in großem Stil das Benzin durch Alkohol zu ersetzen. Dieselben Getreidearten und Früchte, aus denen der Alkohol gewonnen wird, fehlen auf dem Nahrungsmittelsektor und  verteuern diese aufgrund des knapperen Angebotes.

So lange nur relativ wenige Fahrzeuge mit Ethanol betrieben werden, ist eine Rohstoffverknappung kein Argument. Wären aber Millionen von Fahrzeugen mit E85-Kraftstoffen unterwegs, würde das ganz anders aussehen. Bei massenhafter E85-Nachfrage können definitiv nicht genügend Rohstoffe in Deutschland oder der EU angebaut werden.

Wie stellt sich die Umweltbilanz dar, wenn 40% mehr Tankfahrzeuge fahren müssen, um die größeren Mengen an Treibstoff zu den Tankstellen zu karren? Wenn in Entwicklungs- und Schwellenländern ganze Wälder gerodet werden, um gut verkäufliche Ethanol-Rohstoffe anzubauen?

Wie sieht die Gesamt-Umweltbilanz denn aus, wenn die zur Verfügung stehenden Landwirtschaftsflächen noch weit intensiver bewirtschaftet und gedüngt werden müssen, um die völlige Auslaugung des Bodens zu verhindern?

Ist es wirtschaftlich und sozial vertretbar, Energie- und Nahrungsmittelwirtschaft weltweit in weit höherem Maße als bisher an mindestens durchschnittliche Ernten zu koppeln und damit erneute, vielleicht noch viel dramatischere Abhängigkeiten zu schaffen?

Zudem - das ist meine persönliche Meinung - ist es zynisch und ethisch inakzeptabel, Getreide und Früchte aus Umweltgründen in großem Stil buchstäblich zu verheizen, wenn damit sehenden Auges in Kauf genommen werden muß, daß in den Ländern der Dritten Welt Millionen Menschen verhungern werden, weil sie die dann deutlich steigenden Preise für Grundnahrungsmittel nicht mehr bezahlen können. Wenn zu Gunsten hoher Ernteerträge rücksichtslos Süßwasser-Ressourcen in Ländern ausgebeutet werden, deren Bevölkerung das zur Verfügung stehende Trinkwasser zum Überleben benötigt.

 

14) Betrieb der Standheizung mit E85-Kraftstoff

Standheizungen können - müssen aber nicht - E85-Kraftstoff vertragen. Daher sollte man sich beim Hersteller der Standheizung erkundigen, ob das eigene Gerät den Betrieb mit E85 verkraftet.

 

15) Tankstellennetz

Zumindest derzeit ist das Tankstellennetz für E85-Kraftstoffe sehr überschaubar. Scheinbar gibt es in ganz Baden-Württemberg weniger als 10 Tankstellen, an denen E85-Kraftstoff erhältlich ist. Deutschlandweit führen laut verschiedener Quellen im Internet nur ca. 200 Tankstellen diese Kraftstoffsorte.

 

16) Bewertung eines auf E85 umgerüsteten Gebrauchtwagens

E85-Fans werden ein entsprechend umgerüstetes Fahrzeugs vielleicht sogar bevorzugt kaufen. Ansonsten birgt der Kauf eines mit E85 betriebenen und nicht auf diesen Kraftstoff ausgelegten Fahrzeugs das Risiko teurer Reparaturen an Motor und Kraftstoffsystem, die zum Zeitpunkt des Kaufs möglicherweise noch nicht offensichtlich geworden sind. Mögliche Schäden und die daraus resultierenden Reparaturkosten sind beim Kauf eines solchen Fahrzeugs kaum kalkulierbar. Inwieweit der Kauf eines solchen Fahrzeugs überhaupt in Frage kommt, oder ob über den Kaufpreis verhandelt werden muß, wird jeder Interessent für sich entscheiden müssen.

Zumindest wird der Fahrzeughersteller bei nicht explizit auf E85 ausgelegten Fahrzeugen die Gewährleistung, Garantie oder Kulanz ablehnen, bei denen zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie mit dem E85-Betrieb in Zusammenhang stehen.

 

Fazit:

Wer umrüsten möchte, sollte größten Wert darauf legen, nur ein Umrüstkit zu kaufen, das eine Typprüfung bestanden hat bzw. eine ABE besitzt. Umrüstkits, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, sind praktisch wertlos, da eine Einzelabnahme viel zu teuer würde, so sie denn überhaupt möglich wäre.

Alternativ sollten ein verbindlicher Kostenvoranschlag für Zusatz-Steuergerät, Montage und Einzelabnahme vom Umrüstbetrieb vorhanden sein. Nur damit besteht eine realistische Kalkulationsgrundlage in Bezug auf die Umrüstungskosten. Mit dem Umrüstbetrieb sollte verbindlich vereinbart sein, daß die erfolgreiche Einzelabnahme Voraussetzung für den Kauf der Zusatzelektronik und den Auftrag zur Umrüstung ist. Zusätzlich sollte im Auftrag festgehalten sein, daß der Betrieb kostenlos in den Ursprungszustand zurückrüstet, falls die Einzelabnahme scheitert.

Es ist trotz aller Vorsicht ein fragwürdiges Unterfangen, ein Fahrzeug mit einem Kraftstoff zu betreiben, für den es konstruktiv nicht ausgelegt ist. Ob und wie lange der Betrieb eines nicht für E85 ausgelegten Motors schadlos möglich ist, läßt sich schwer einschätzen. Befürworter von E85-Nachrüstungen schätzen das Risiko von Motorschäden durch diesen Kraftstoff als relativ gering ein, seriöse Langzeituntersuchungen zu diesem Thema unter realistischem Alltagsfahrbetrieb sind zumindest mir nicht bekannt. Das Risiko schwerer Schäden an Motor und Kraftstoffsystem besteht auch mit Nachrüstung, egal was die Anbieter dieser Systeme versprechen. Ohne technische Umrüstung auf E85 ist das Fahren mit Ethanol-Kraftstoff in jedem Fall sehr riskant.

Angesichts der hohen Kosten für die Umrüstung der Fahrzeuge auf E85-Kraftstoff müßte handelsüblicher E5-Kraftstoff noch sehr viel teurer werden, bevor sich die Umrüstung in angemessener Zeit amortisiert.

Durch das sehr überschaubare Tankstellennetz, das E85 im Angebot hat,  ist keine durchgängige Versorgung mit E85-Kraftstoff gewährleistet. Somit muß - zumindest im Langstreckenverkehr - trotz Umrüstung häufig auf teuren, handelsüblichen E5-Kraftstoff ausgewichen werden.

Stand: 22.02.2014