Crashtest Opel Omega B MV6
erschienen in AMS 09.09.1994

Der Blitz schlägt ein

Daß der alte Omega kein besonders sicheres Auto war, wurde im Crashtest von Auto Motor und Sport schon 1990 nachgewiesen. Fazit damals:

"Wie der Offset-Versuch zeigt, wurden die Knautschzonen nicht ausreichend genutzt, und auch die Stabilität der Fahrgastzelle läßt zu wünschen übrig."

 

So eine Schlappe, wie sie der alte Opel Omega erlebt hatte, sollte mit dem neuen nicht noch einmal vorkommen. Deshalb lesen sich die Verbesserungen gegenüber dem Vorgängermodell wie ein reiner Auszug aus dem Pflichtenheft der Sicherheitsforscher: Torsionssteifigkeit der Karosserie um 28% erhöht, erfolgreich absolvierte Crashsimulation im Computer und in der Realität, serienmäßige Rückhaltesysteme mit zwei Airbags, Gurtstraffern und Gurtklemmern.

Die detaillierte Aufzählung der ausgeführten Verbesserungen würden allein mehrere Seiten füllen. Die wichtigsten Punkte der crashtestgeführten Modellpflege deshalb hier in aller Kürze:

- verstärkter Vorderrahmen
- verbesserte Verbindung zwischen Frontquerträger und Vorderrahmen
- durchgehende Dachrahmenverstärkung
- dickere Bleche in den Knautschzonen
- verstärkte Scharniersäulen
- Türschachtverstärkungen aus hochfestem Stahlblech
- Bodenblech und Schweller mit Verstärkungen aus hochfestem Blech
- doppelte Stahlrohre in den Türen
- sogar die Kardanwelle führt beim Crash Energie über ihre Lagerböcke in die Karosserie weiter.

Beim Unfall sollen möglichst hohe Kräfte im Karosserie-Vorbau in zielgerichtete Deformationsarbeit umgesetzt werden. Die Verzögerung verläuft gleichmäßiger und auf niedrigem Niveau, was die Insassen geringer belastet. Eberhard Heyne, Abteilungsleiter in der Opel-Sicherheitsforschung und maßgeblich an der Konstruktion des neuen Omega beteiligt, äußert vor dem Crash sogar die Hoffnung, daß schwerwiegende Verformungen im Fußraum, wie sie beim Vorgänger noch aufgetreten waren, ausbleiben könnten. "Der neue Vorbau nimmt soviel Energie auf, daß der Überlebensraum vollständig erhalten bleiben müßte."

Der Crash selbst, der 50. von AMS, war vom Ablauf her Routine: elektromotorisch gesteuert fuhr der rote Opel Omega V6 mit eigener Motorkraft im zweiten Gang an, beschleunigte und schlug mit exakt 54,7 km/h mit der linken Hälfte seiner Frontpartie in den 100 Tonnen schweren Betonklotz. Insgesamt 49 Meßkanäle und Highspeed-Kameras von vier Seiten hielten den Ablauf in allen Einzelheiten fest: nach zwei Zehntelsekunden war alles vorbei und der Opel Omega auf der linken Seite um 88 cm kürzer.

Kennzeichnend für die gezielte Energieumsetzung war die Tatsache, daß auch jene Partien des Omega verformt wurden, die am Aufprall gar nicht direkt beteiligt waren. Der rechte Vorderbau wurde durch die Stützwirkung der vorderen Querträger nach links eingezogen, der Radstand auf der Beifahrerseite um 9 cm länger als vorher. Bei dem Aufprall hatte der gesamte Vorbau soviel Energie aufgenommen, daß das Verletzungsrisiko der Insassen als gering bezeichnet werden kann.

Schon 34 Millisekunden nach der Berührung mit dem Betonklotz begann sich der 67 Liter fassende Fahrer-Airbag zu öffnen, der Beifahrer-Airbag folgte nur vier Millisekunden später. Beide Airbags fingen Oberkörper und Köpfe der Hybrid-III-Dummies nach etwa 70 Millisekunden relativ weich auf. Allerdings unterschied sich die Art, in der beide ins Luftkissen fielen, deutlich. Während der Beifahrer mit dem Kopf direkt in die Oberfläche des 140 Liter fassenden Airbags tauchte, traf der Fahrer den 67 Liter-Bag etwas links von der Mitte, wurde dabei so stark seitlich verdreht, daß der Kopf wie bei einer kräftigen Schüttelbewegung bis über die Schulterpartie zur Seite blickte.

Daraus läßt sich aber kein gesichertes Verletzungsrisiko ableiten. Die Belastungen für den Kopf liegen mit HIC-Werten von 372 für den Fahrer und 470 für den Beifahrer gleichermaßen niedrig. Gleiches gilt für die Brust. Nur die gemessene Beckenbeschleunigungen von 63 und 64 g liegen in einem Bereich, wo Verletzungen nicht mehr auszuschließen sind. Die Armaturentafel des Omega verlagerte sich beim Crash meßbar nach innen. Obwohl der Fahrer-Dummy den gepolsterten Teil der Verkleidung mit den Knien sichtbar  eingedrückt hatte, liegen die gemessenen Abstützkräfte in den Oberschenkeln im unkritischen Bereich.

Die Verkürzung des Innenraums ist auf der Fahrerseite mit 17 Zentimetern nicht weiter besorgniserregend. Zudem bietet die ausgeprägte Polsterung unter der Omega-Fußmatte hier guten Schutz vor sogenannten Prallschlägen von unten. Am Fahrzeugboden des neuen Omega läßt sich außerdem ablesen, wie weit verzweigt die Kräfte in die Bodengruppe eindringen konnten. Die Kardanwelle stützt sich über ihr Mittellager so kräftig am Bodenblech ab, daß der Kardantunnel nach rechts geknickt und ausgebeult wurde.

Dagegen stellen die starr aufsteigenden Pedale, die sich, am Bremspedal gemessen, um 12 Zentimeter nach hinten und um 17 Zentimeter nach oben verschieben, auf der Fahrerseite eine beträchtliche Verletzungsgefahr dar. Schließlich muß man bei einem Unfall davon ausgehen, daß der Fahrer - anders als der Dummy - bis zum letzten Moment zu bremsen versucht. Doch auch hier zeigt sich eine Verbesserung gegenüber dem alten Modell: dort betrug die Pedalverschiebung nach hinten noch volle 32 Zentimeter.

Der Türschweller dagegen, der beim alten Omega offensichtlich mit der Kraftaufnahme überfordert war und nach unten in einer scharfen Zacke ausknickte, verformte sich beim neuen Modell kaum. Dadurch wurde wiederum der Türrahmen nur unwesentlich gestaucht. Die Türöffnung nach dem Crash war nur insofern erschwert, daß sich die Fahrertür nicht durch den äußeren Türgriff entriegeln ließ. Nachdem die Fahrertür am inneren Griff problemlos entriegelt werden konnte, ließ sie sich unter Zugkraft von 200 Newton vergleichsweise leicht öffnen.

 

Fazit: Mit dem neuen Omega hat Opel in Sachen passive Sicherheit einen deutlichen Schritt vorwärts getan - blitzsaubere Sache.